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N°3/2023
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De Beaumont à Nidau – ein Spaziergang durch Biel

Biel ist die kleine, aber coole Schwester von Bern: weltoffen, urban, visionär, aber arm, kaputt und dreckig. So die Klischees, die die bilinguale Metropole der Schweiz begleiten. Für die HKB und die Berner Fachhochschule ist Biel/Bienne von besonderer Bedeutung. Der Hochschul- und Kunst-Standort am Jurasüdfuss ist in Bewegung. Der dortigen Spuren der HKB wollen wir in der vorliegenden Zeitung nachgehen. Zuerst nehmen wir Sie auf einen kurzen Spaziergang mit – dann lassen wir Künstler*innen und Akteur*innen aus Biel zu Wort kommen.

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Leiter Kommunikation und Publikationen HKB und Mitglied der Kulturkommission Biel

Zwei rote Bälle und eine Wolke kleben am Baukran. Spitalzentrum Biel, 554 Höhenmeter. Der Blick schweift dem Jurasüdfuss entlang auf die darunterliegende grösste bilinguale und zehntgrösste Stadt der Schweiz; 440 Meter über Meer liegt der Spiegel des Sees, der diese Stadt gegen Südwesten öffnet. Die Alpen als Kulisse, den Jura im Rücken. Hier liegt das Bilingue, die Landesschnittstelle, das global-lokale Kippmoment, dem wir nachgehen wollen mit einem kleinen Spaziergang.«Beau Moment» heisst und verspricht die Kantine im Spitalzentrum Biel. Virtuos und selbstverständlich geht das bilinguale Biel/Bienne mit den Sprachen um, wenn auch mit leichtem Vorteil für das frankofone Coole. Aus dem demnächst verlassenen Spitalareal will der einst aus Zürich nach Biel ausgewanderte Stadtwanderer Benedikt Loderer eine zweite Altstadt machen und Biel damit als Kreativzentrum in eine andere Liga schiessen. Ob die Bieler*innen die Balance zwischen einer partizipativen, unkommerziellen Stadtentwicklung und der Stärkung des Steuersubstrats finden, ist schwer abzuschätzen. Die überraschende Gegenwart und ungewisse Zukunft Biels ist wieder einmal ein gern beackertes Thema in den Deutschschweizer Medien.Beim Abstieg nach Biel Zwischenhalt am Höheweg 80. Im ehemaligen Rolex-Gebäude, das wie eine schlossähnliche Fabrik über der Uhrenmetropole thront, hat sich die Berner Fachhochschule, Departement Technik, eingerichtet. Hier wird geforscht, ganz in der Tradition der innovativen Uhrenstadt Biel. Living Lab und Labor Telekommunikation sowie eine Mensa: Es sieht so aus, als würden die kreativen Hochschulräumlichkeiten ihre Bedeutung für die Technologiestadt Biel eher verkennen als herausstreichen.Die HKB hat sich mit ihren Studiengängen Musik und Bewegung und Oper in der Burg Biel niedergelassen. Hier ist die Keimzelle der Stadt Biel, errichtet im 13. Jahrhundert als Burg des Bischofs von Basel. Keine zweihundert Meter entfernt, aber schon ausserhalb der Altstadt residiert in einer historischen Villa an der Seevorstadt 99 das Schweizerische Literaturinstitut, dieser einzigartige Studiengang der HKB, der nur in Biel/Bienne möglich ist.Schlägt hier das Herz der Bieler Kultur? Das Plakat auf dem Platz bei der Mühlebrücke bewirbt «Voir la Culture – Kultur sehen» und mittels QR-Code die Kulturanbieterin KartellCulturel (Le Singe, Kreuz Nidau, Groovesound), wieder 200 Meter weiter schlendert Erich Fehr auf die Schüsspromenade. Der Stadtpräsident trägt eine rote Nelke und eine Aktenmappe. Der Sozialdemokrat verkörpert das unverwechselbare Biel wie kein anderer; das Ende seiner politischen Karriere allerdings hat er jüngst selber verkündet – auch in Biel ändern sich die Zeiten, andere Fragen drängen in den Vordergrund.Wird mit dem Rollenwechsel in der Stadtregierung auch der Kunst in Biel eine andere Rolle zukommen? JETZT KUNST, so der verblichene Spray an der Wand der Einwohnerkontrolle Biel, Neuengasse 28. Eher ist zu vermuten, dass Biels Laissez-faire-Haltung weiterhin Bestand hat. Die brutalistische, eigenartig verkommene Betonskulptur vor der Polizeiwache Biel an der Spitalstrasse 20 wird die Moden der Zeit überstehen. Doch über Gentrifizierung wird auch in Biel kontrovers diskutiert. Am Unteren Quai, dieser städtischen Kanalallee, die eher an Paris als an Bern erinnert, hat eine zeitgemässe Stadtmöblierung Einzug gehalten – wenn auch erst als Testlauf.Im Stadtlabor an der Aarbergstrasse 112, einer bemerkenswerten Initiative des BFH-Departements Architektur, Holz und Bau, der Fachverbände und der Stadt Biel, wird über die Zukunft der Stadt Biel diskutiert und geforscht. Auf der Rückseite des Volkshauses, 1932 errichtet und Symbol des Roten Biels sowie der Bieler Moderne, befassen sich Architekturstudierende und -dozierende pragmatisch mit den Herausforderungen einer Stadt, die sich wieder einmal «neu erfindet», wie die Tamedia-Zeitungen kürzlich berichteten.Die Besetzung des Bührer & Co.-Areals am Unteren Quai 30 wurde zwar nach kürzerer Zeit beendet, aber erlaubte einen sozialhistorischen Rückblick auf das erbärmliche Leben von Gastarbeitern in der gebeutelten Uhrenstadt Biel. Über die Baugrube und deren Komplikationen an der Aarbergstrasse 32, wo dereinst der Campus Biel der Berner Fachhochschule stehen soll, wurde schon viel berichtet. Nun scheint das Bauprojekt, das dem Hochschulstandort Biel neue Dimensionen eröffnet, auf der Zielgeraden zu sein.Nun aber wenden wir uns zum Abschluss des Spaziergangs dem Stedtli zu. An der Mittelstrasse, 2560 Nidau, hält das Postauto. Das Bäurisch-Bernische tritt hier zutage, eine Landstadt, längst verwachsen mit der Stadt ennet dem Zihlkanal, politisch aber eine andere Welt. Hier, in einer Gewerbezone, am Swiss Center for Design and Health AG an der Ipsachstrasse 16, geht es ganz und gar unbernisch zu und her. Das Start-up der Berner Fachhochschule legt internationale Massstäbe in Sachen Innovation. Design and Health, Kunst und Technologie gehen hier in prototypischer Art und auch «à la biennoise» eine Partnerschaft ein.