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N°1/2025
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Wo Kunst sichtbar wird

Offspace oder Galerie? Soziale Medien oder Ausstellung? Welche Plattformen sind für bildende Künstler*innen in Bern attraktiv, um gesehen zu werden? Die HKB-Zeitung hat Kunstorte in Bern aufgesucht.

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ist Kulturjournalistin in Bern

Kunst muss gesehen werden, braucht ein Publikum. Doch welche Kanäle nutzen heutige Kunstschaffende? Hat die herkömmliche Galerie ausgedient? Welche Rolle spielen dabei die sozialen Medien? Unsere Recherche zeigt, dass die Berner Szene eng untereinander vernetzt ist, viele Akteur*innen arbeiten direkt oder indirekt mit der Hochschule der Künste Bern zusammen, von den Künstler*innen genutzt werden unterschiedliche Kanäle, oft gleichzeitig.

Sebastian Winkler, Kurator des KUNSTRAUMS BERN BÜMPLIZ hat sich auf Künstler*innen-Nachlässe spezialisiert, zeigt aber auch junge Kunstschaffende, die gerade ihre Ausbildung an der HKB abgeschlossen haben. Der KUNSTRAUM BERN BÜMPLIZ wurde im Frühsommer 2023 auf Initiative der ART-Nachlassstiftung für Kunstschaffende Bern eröffnet. «Auf zwei Etagen bietet der Raum mit über 200 m2 viel Platz für wechselnde Ausstellungen», so der Kurator. Das architektonisch gut erhaltene Gebäude aus den 1970er-Jahren sei mit viel Eigenleistung renoviert worden und schaffe professionelle Ausstellungsbedingungen. «Durch die Gegenüberstellung mit zeitgenössischen Positionen soll der Dialog zwischen Generationen gefördert werden», so Winkler. Viele Ausstellungen der letzten eineinhalb Jahre hätten unter Beteiligung von HKB-Abgänger*innen stattgefunden. Im Sommer 2023 präsentierten etwa Nadja Karpinskaya und Ernestina Orlowska im Rahmen der Ausstellung «ARRIVAL» ihre jeweiligen Arbeiten. Karpinskaya textile Kunst, Orlowska eine Performance.

Prominent im Schaufenster
Die Künstlerin Flurina Sokoll nahm an der Gruppenausstellung «Konstellationen» im KUNSTRAUM BERN BÜMPLIZ teil. Allen Beteiligten gemeinsam war die Auseinandersetzung mit den Medien Collage, Assemblage, Installation oder Video und das Verwenden von gefundenen, oft alltäglichen Materialien. Flurina Sokoll studiert aktuell an der HKB, im Masterstudiengang Contemporary Arts Practice, und macht ihr Diplom diesen Sommer. Sie erhielt im Schaufenster des Kunstraumes für ihre Installation einen prominenten Platz. Als einen spannenden Ort in der Peripherie der Stadt Bern beschreibt sie den Kunstraum in Bümpliz. «Es gibt viel Quartiergeist in diesem demografisch durchmischten Viertel.» Das Schaufenster in der Fussgängerzone ziehe viele Interessierte an. Die Mischung zwischen Werken aus der Nachlassstiftung mit zeitgenössischen Positionen bezeichnet sie als «schlau». Die Künstlerin findet Orte, um ihre Kunst zu präsentieren, geeignet, an denen sie kuratorisch und administrativ unterstützt wird, in die sich Menschen hineinbewegen und wo sie ihre Werke verkaufen kann. Zwischen Offspace und Galerie mag sie sich nicht entscheiden. «Beides», lautet ihre klare Antwort darauf. Welche Rolle spielen die sozialen Medien für Sokoll? «Eine wichtigere, als ich es mir manchmal wünschte – das ‹Pflegen› dieser Medien empfinde ich als anstrengend.» Instagram nütze sie öfters, LinkedIn eher selten.

Plattform und Shop
Auch das Kulturmuseum Bern ist ein Raum, um seine Kunst zu zeigen, der sich nicht als Galerie versteht. «Die Kunst soll kulturelle, wissenschaftliche und politische Fragen stellen», so Christoph Balmer, der gemeinsam mit Bernhard Jordi und Flo Eichenberger Co-Direktor des Kunstmuseums im Breitenrainquartier ist. «Das Kulturmuseum ist für mich wichtig, weil wir keine langen Vorlaufzeiten haben und dadurch auf aktuelle Themen eingehen und spontan programmieren können», so Balmer. Das Kulturmuseum sei ohne Subventionen unterwegs und inhaltlich frei. Finanzieren tut sich das Haus nebst Kollekten und Einnahmen aus dem Shop, indem kleinformatige Arbeiten erworben werden können, vor allem durch die Verkäufe der Kunst, wobei 70% an die Kunstschaffenden gehen. «Junge Kunstschaffende, ob mit oder ohne Erfahrung, sind bei uns willkommen», so Balmer. Das Kulturmuseum könne durch sein Stammpublikum, sein Netzwerk und die mediale Begleitung eine Plattform schaffen. Verschiedentlich wurde mit Studierenden der HKB zusammengearbeitet, so auch bei dem externen Projekt Second Art, das für viel Aufmerksamkeit sorgte. Für Second Art wurden über 200 Kunstschaffende dazu aufgefordert, einem bereits bestehenden, im Brockenhaus erstandenen Gemälde neues Leben einzuhauchen. Mit viel Experimentierfreude, aber auch mit Respekt vor dem Bestehenden nahmen sich die Kunstschaffenden dieser Aufgabe an. «Wir haben bisher 56 Ausstellungen mit rund 40 000 Besucher*innen durchgeführt», so Balmer über sein Wirken.

Sozialpreis der Stadt Bern
Auch Sophie Brunner, künstlerische Leiterin des Künstlerkollektivs Rohling, ist die Sichtbarmachung der von ihr betreuten Künstler*innen ein grosses Anliegen. «Wir versuchen durch öffentliche und private Mittel bestehende Infrastrukturen zu nutzen, um unsere Künstler*innen sprechen zu lassen», so Brunner. Rohling ist ein Verein und ein Künstlerkollektiv, das sich als soziale Skulptur versteht und einen inklusiven Kunstbegriff fördert. Auch Menschen mit Beeinträchtigungen erhalten hier eine Plattform für ihre Kunst, ohne das Etikett Outsider-Art aufgeklebt zu bekommen, auf Augenhöhe mit sogenannt akademischer Kunst. Das Atelier Rohling wurde im Februar 2012 im Kulturzentrum Progr in Bern von Sophie Brunner und Diego Roveroni gegründet. Es bietet momentan 13 Kunstschaffenden mit und ohne Beeinträchtigungen einen fixen Arbeitsplatz. 2015 wurde das Atelier mit dem Sozialpreis der Stadt Bern ausgezeichnet. «Damit unsere Künstler*innen Gehör finden, wenden wir verschiedene Strategien an», so Brunner. Die Teilnahme an der Ausstellung «Cantonale Berne Jura» mit Werken von Clemens Wild und Clara Baumann führte zu Ankäufen durch die kantonale Kunstsammlung. Auch Kunstpreise erachtet Brunner als wichtig. Sie unterstützt die Kunstschaffenden dabei, sich auf Preisausschreiben direkt zu bewerben. Auch ein Pilotprojekt von Rohling ist im Gang. Rohling will Zugang zu Bildung schaffen und hat die Rohling-Akademie ins Leben gerufen, wobei die Inhalte und Arbeitsmethoden durch eine Forschungsgruppe der HKB begleitet werden. Das Projekt strebt an, ein Format zu entwickeln, bei dem künstlerisch tätige Menschen mit einer Behinderung und HKB-Studierende gemeinsam ihre Agency hinsichtlich ihrer Kunstpraxis durch inklusive Bildungsangebote erweitern können.

Keine Konkurrenz
Und wie stehts um die herkömmlichen Galerien? Kommen sie mit all den Offspaces und den sozialen Medien unter Druck? Der Begriff «Galeriensterben» wird oft bemüht. Zu Recht? Galeristin Barbara Marbot, die gemeinsam mit ihrem Mann Hans Ryser die Galerie da Mihi in Bern führt, hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Sie ist Autorin des Buches «Verhandlungssache Galerie. Sind (kleine) Galerien noch zeitgemäss?», das 2018 im Verlag für moderne Kunst erschien. Auf rund 160 Seiten schreibt sie über die Geschichte der Galerien und Museen vom 18. Jahrhundert bis heute. Die Frage nach den «geeigneten Publikationsorten» müsse man differenziert betrachten, so Marbot. Offspaces seien keine Konkurrenz zu klassischen Galerien, sondern würden eine eigenständige Funktion innerhalb des «Kunstökosystems» erfüllen. Gerade für HKB-Absolvent*innen seien sie eine essenzielle Plattform, um erste Ausstellungserfahrungen zu sammeln, Netzwerke zu knüpfen und Praxis zu erproben. Für einige sei eine Zusammenarbeit mit einer Galerie schliesslich der nächste Schritt. «Diese Dynamik war in Bern nicht immer gegeben», so Marbot. In den 1970er- und 1980er-Jahren hätten Offspaces kaum existiert, sodass ihre Rolle teilweise von den Galerien übernommen worden sei. So habe etwa die Galeristin Dorothe Freiburghaus die «Kunst-Stafette» initiiert, bei der die ausstellenden Künstler*innen ihre jeweiligen Nachfolger*innen bestimmten. Heute verfüge Bern über ein diverses und gut unterstütztes Netzwerk an Offspaces, das jungen Kunstschaffenden eine adäquate Infrastruktur biete. «Daher sehen wir es nicht mehr als Aufgabe klassischer Galerien, Absolvent*innen direkt ins Galerienprogramm aufzunehmen», so Marbot.