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N°3/2024
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Wo Design und Gesundheit zusammenspielen

Ob Patient*innen aus ihrem Zimmer auf Bäume oder eine Backsteinmauer blicken, spielt eine Rolle. Schauen sie in die Natur, erholen sie sich von einem medizinischen Eingriff tendenziell schneller. Sie benötigen weniger starke Medikamente und erleiden seltener Komplikationen. Was der Architekturprofessor Roger Ulrich 1984 erstmals wissenschaftlich nachgewiesen hat, ist in der Fachwelt mittlerweile Konsens. Wie eine Umgebung gestaltet ist, wirkt sich aus. Design beeinflusst unsere Gesundheit.Dies müsse in der Praxis entsprechend umgesetzt werden, sagt Stefan Sulzer, Managing Directory am Swiss Center for Design and Health (SCDH): «Sich intensiv mit der Gestaltung von Räumen, Produkten oder Services auseinanderzusetzen, lohnt sich.» Das SCDH in Nidau bei Biel bietet dafür eine breite Plattform. Es entwickelt und erforscht Designlösungen, welche die Gesundheit fördern. Das Kompetenzzentrum vernetzt Planer*innen, Politiker*innen, Wissenschaft und private Firmen. «Wir testen Entwürfe und lassen wissenschaftliche Erkenntnisse einfliessen», sagt Forschungsleiterin Minou Afzali. «Wir stellen den Technologie- und Wissenstransfer sicher.»

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ist freie Journalistin. Sie schreibt über politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Themen

Baupläne werden greifbar
In der lichtdurchfluteten Industriehalle ist an diesem Morgen ein Bauvorhaben eines Spitals zu sehen. Der Grundriss des Ambulatoriums ist 1:1 auf den weissen Belag der Extended-Reality-Simulationsfläche projiziert. Wände, Fenster, Türen und Teile des Mobiliars sind aus Karton gefertigt. Dazwischen stehen medizinische Geräte, ein Rollstuhl und ein Spitalbett. «Schon beim Aufbau werden jeweils erste Schwachstellen deutlich», sagt Rahel Inauen vom Forschungsteam. «Schmale Passagen etwa, an denen eine Patientenliege anstösst.» Haben Baupläne im Living Lab derart Gestalt angenommen, werden sie mit Simulationen getestet. Mitarbeitende des SCDH spielen mit den Projektverantwortlichen realitätsnahe Szenarien durch. Sie laden dazu nicht nur Architekt*innen, Führungskräfte und Geldgeber*innen, sondern möglichst viele der künftigen Nutzergruppen ein. Bei Spitalprojekten kommen neben den Ärzt*innen und dem Pflegepersonal Vertreter*innen des Empfangs, der Hotellerie und des Facility Management zum Zug. «Sie haben unterschiedliche Perspektiven und wertvolles Wissen aus ihrem Berufsalltag», sagt Stefan Sulzer. Davon gelte es zu profitieren. 

Hier zeigt sich, ob Ideen praxistauglich sind
Zwischen den Kartonwänden erleben die Teilnehmenden unmittelbar, wie Arbeits- und Behandlungsprozesse ablaufen würden. Sie nehmen körperlich wahr, wenn Räumlichkeiten ihren Bedürfnissen nicht gerecht werden. Im Ambulatorium würde es zum Beispiel eng werden, wenn eine gehbehinderte Person operiert werden muss. Für einen Rollstuhl ist im Wartebereich, in der Umkleide und auf der Toilette wenig Platz. Die hohe Theke am Empfang erschwert es Patient*innen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, mit der Praxisassistenz zu kommunizieren. Vertrauliche Gespräche sind nur eingeschränkt möglich. Da und dort fehlt es an Ablageflächen. Das Personal hat Kolleg*innen und Patient*innen mancherorts zu wenig im Blick. Darunter leide nicht nur die Zusammenarbeit, sagt Minou Azali. «Es kann ebenso die Sicherheit beeinträchtigen.» Studien belegen unter anderem, dass bauliche Aspekte die Zahl von Stürzen beeinflussen. Solche kommen bei gutem Sichtkontakt seltener vor. Es kann daher sinnvoll sein, die Nasszelle eines Spitalzimmers in einer Ecke abzuschrägen. So lässt es sich vom Gang aus besser überblicken.

Der positive Effekt ist am SCDH gerade in einem von vier Musterzimmern zu sehen. In den provisorischen Räumen werden unter anderem Wandfarben, Bodenbeläge und Textilien evaluiert. Hier zeigt sich, ob Innovationen funktional und nutzendenfreundlich sind. Schon kleine Änderungen könnten viel bewirken, sagt Afzali. «Wir gelangen zu evidenzbasiertem Design, das sich nicht auf ästhetische Kriterien beschränkt.»
Um Ideen rasch umzusetzen, verfügt das SCDH über Werkstätten. Sie sind für Arbeiten aus Holz, Metall, Stoff und Papier ausgerüstet. «Wir stellen einfache Prototypen her», sagt Roger Zimmermann, der für die Metallwerkstatt zuständig ist. «So können wir Projektteams optimal begleiten.» Auch Externe können die Infrastruktur nutzen. Dies gilt ebenso für die Büro- und Testflächen. So können sich etwa Start-ups einmieten.Das SCDH bietet sich für vielfältige Kooperationen an. Es unterstützt Vorhaben von Universitäten, Fachgesellschaften, Stiftungen und Wirtschaftspartner*innen und regt selbst Studien an. Expert*innen aus den Bereichen Design, Medizin und Technologie sind ins Scientific Board eingebunden. «Wir tauschen uns regelmässig aus, diskutieren aktuelle Themen und greifen relevante Fragen auf», sagt Minou Afzali.In einer Kooperation mit Hochschulen und Praxispartner*innen1 hat das SCDH-Team beispielsweise die Website onkologika.ch evaluiert, die über Medikamente in der Krebstherapie informiert. Nach einer interprofessionellen Designanalyse hat es Nutzende online und im Rahmen eines Workshops befragt. Es wollte unter anderem wissen, ob Pflegefachpersonen die Merkblätter häufiger online oder ausgedruckt konsultieren. «Solche Hinweise sind für die visuelle Kommunikation entscheidend», sagt Afzali.Zurzeit begleiten SCDH-Mitarbeitende ein Team der Berner Fachhochschule BFH beim Aufbau eines Kompetenzzentrums Care@home2. Gemeinsam untersuchen sie, wie ein Care@home-Dienst aussehen müsste, der Mütter mit psychischen Belastungen nach der Geburt betreut. Sie sollen frühzeitig, niederschwellig und möglichst in den eigenen vier Wänden unterstützt werden. Berufsgruppen, die mit jungen Familien zu tun haben, sollen für das Thema sensibilisiert und ausgebildet werden.

Weniger Fehler, mehr Akzeptanz
Das partizipative Vorgehen bereichere und optimiere Gestaltungsprozesse, sagt Stefan Sulzer. Es lohne sich, bei allen Dienstleistungen und Projekten die unterschiedlichen Perspektiven frühzeitig einzubeziehen. Wird für ein Spital geplant, werden im Living Lab, auf einer Fläche von 600 Quadratmetern, neben Standardsituationen immer auch logistische Prozesse und Notfallszenarien simuliert. So zeigt sich etwa, ob im geplanten Ambulatorium ausreichend steriles Material gelagert werden könnte und externe Rettungskräfte kurze Wege vorfinden würden. «Es ist wesentlich günstiger, mit Karton zu bauen als mit Beton», betont der Managing Director. Die Methode helfe, teure Baufehler zu vermeiden. Sie erhöhe zudem die Akzeptanz von Projekten. Mitarbeitende fühlten sich ernst genommen und wertgeschätzt. Sie profitierten von effizienten Arbeitsabläufen und einer angenehmen Atmosphäre. «Das sollte – gerade angesichts des aktuellen Fachkräftemangels – stärker berücksichtigt werden.» Das SCDH will dazu beitragen, dass sich das Vorgehen etabliert. Es soll insbesondere bei komplexen Bauprojekten zum Standard werden. «Damit Designlösungen resultieren, die den unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden – und das Wohlbefinden aller fördern.»