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N°1/2025
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Wenn Wissen Kreise zieht

Forschen heisst lesen, untersuchen, grübeln, suchen, planen, überlegen, werweissen, mutmassen, interpretieren, extrapolieren – vor allem aber heisst es auch: schreiben, kommunizieren und publizieren. Was nützt all die schöne Forschung, wenn das neu erworbene Wissen im eigenen Kopf bleibt und nicht geteilt wird?

Text

ist Musiker und Musikwissenschaftler. Am Institut Interpretation arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Am HKB-Institut Interpretation nimmt das Publizieren verschiedene Formen an: von Konzerten, in denen neu entwickelte Instrumente oder historische Spielweisen präsentiert werden, über veröffentlichte Datensammlungen, die wiederum weitere Forschungszugänge ermöglichen, bis hin zu Vorträgen oder schriftlichen Texten für ein Fach- oder ein breiteres Publikum. So können Sie sich beispielsweise auf unserem YouTube-Kanal anhören, wie der Nachbau eines mittelalterlichen Rabab klingt. Sie können anhand der Walser-Datenbank auch in Erfahrung bringen, wie oft und von wem Robert Walsers Gedicht «Beiseit» vertont worden ist. Oder wecken vielleicht historische Bühnenmaterialien aus dem 19. Jahrhundert, die Entstehung von Violinsaiten aus Schafdarm oder helvetische Selbstbilder in Schweizer Musiktheaterwerken Ihr Interesse?

Vom Forschungsergebnis zum Buch
All diese Veröffentlichungen – vor allem aber die schriftlichen Publikationen – bilden den Hauptanteil meiner Tätigkeit in der HKB-Forschung. Dabei sind für deren Inhalt in erster Linie unsere Projektmitarbeitenden und teilweise externe Forschende zuständig. Oft haben sie ihr Wissen in einer vorangehenden wissenschaftlichen Konferenz präsentiert und bringen es dann zu Papier. Ich begleite diesen Prozess, vereinheitliche im Austausch mit den Forschenden ihre Texte formal und «schleife» sprachlich daran. Wo ich etwas widersprüchlich oder unklar finde, frage ich auch inhaltlich nach, damit ein Beitrag verständlicher wird. Ist die Arbeit am Text abgeschlossen, folgt in der Regel ein externes Gutachten, das womöglich nochmals Überarbeitungen nach sich zieht und Voraussetzung für einen Finanzierungsantrag beim Schweizerischen Nationalfonds ist – schriftliche Publikationen sind auch mit Kosten im vier- bis fünfstelligen Bereich verbunden.Anschliessend übergeben wir das fertige Manuskript an einen Verlag. Sind die Texte gesetzt, folgt die Korrektur der Druckfahnen durch die Herausgeber*innen des jeweiligen Bandes, die Autor*innen der einzelnen Beiträge sowie durch mich, dazu erstelle ich das Register. Meist geht das Buch in diesem Rohzustand noch drei oder vier Mal zwischen dem Verlag und mir hin und her, bis mir keine Fehler mehr auffallen. Dann endlich kann es online und im Druck veröffentlicht und vor allem: gelesen werden.

Neue Themen, neues Wissen
Aktuell liegen bei mir besonders viele Bände auf dem Schreibtisch: Wir hatten 2023 eine ganze Reihe grösserer Tagungen, die zu Publikationen führen. Dazu kommen Pendenzen aus Vorjahren und schliesslich folgte im vergangenen Sommer auch noch ein Verlagswechsel für unsere Schriftenreihe, der diverse formale Anpassungen und damit Mehrarbeit nach sich zog. Aber ein erster Band beim neuen Verlag ist bereits erschienen – und macht Freude auf mehr.
Spannend an diesem gesamten Publikationsprozess und an meiner Arbeit finde ich, dass ich gedanklich in immer wieder andere Themen eintauchen darf, die mir im wahrsten Sinne des Wortes neues Wissen erschliessen. Auch die Vielfalt fasziniert mich immer wieder: Aus der Musik ergeben sich Anknüpfungspunkte zu allen möglichen Fachrichtungen, von Archäologie, (Kunst-)Geschichte oder Literaturwissenschaft über Soziologie und Medizin bis hin zu Physik, Biologie und Chemie.Ganz besonders freue ich mich jeweils, wenn ich erfahre, dass unsere Publikationen beachtet und zitiert werden, wenn es unsere Forschungen in die Medien schaffen oder Ergebnisse die Gedanken von weiteren Forschenden anregen. Ziel unserer Forschung ist schliesslich nicht nur, dass Einzelne anschliessend mehr wissen, sondern dass dieses Wissen Kreise zieht.