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N°2/2021
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Unternehmertum als Letztes Abenteuer im Kapitalismus

Chris Jenny koordiniert an der HKB seit Mai 2021 das Business Lab. Er hat Geschichte, Medienwissenschaften und Kommunikation in Bern studiert und anschliessend in Norwegen einen Master of Science in Innovation und Entrepreneurship absolviert. Vor fünf Jahren gründete er mit fünf anderen Partner*innen den Impact Hub Bern und baute diesen weiter auf. Heute leitet er dort noch das Youngpreneur-Wahlfach. 

Interview

Leiterin der Fachstelle Forschung und Entwicklung (F+E) an der HKB 

Chris Jenny, dich interessiert es, dich an der Schnittstelle von Unternehmertum, Bildung und Innovation zu bewegen. Warum?
Erstens habe ich beim Impact Hub das Programm Youngpreneurs begründet, bei dem ich jeweils während acht Monaten an Gymnasien das Wahlfach Entrepreneurship unterrichte und den Schüler*innen beibringe, Geschäftsideen vor einem grösseren Publikum zu präsentieren. Meiner Meinung nach sollten junge Leute möglichst früh mit Unternehmertum in Berührung kommen, denn es ist eine Alternative zum klassischen Arbeitsmodell. Ein Start-up gründet man, wenn man noch frei in der Lebensgestaltung ist – also nach dem Gymnasium, während des Studiums oder dann in der Pension. Zweitens sehe ich das Unternehmertum als «letztes Abenteuer im Kapitalismus». Es ist die beste Lebensschule, weil man jeden Tag mit seinen eigenen Stärken und Schwächen konfrontiert ist. Dabei gehört es dazu, Fehler zu machen – und Fehler zu machen, ist gut! Denn daraus muss man versuchen, zu lernen. «Life is a pitch!» Zentral ist es, sein Projekt und seine Idee nach innen und aussen jeweils gut zu kommunizieren. Denn eine Idee kann noch so brillant und super sein – wenn man sie nicht gut präsentieren und vermitteln kann, erreicht man nichts.  

Seit Anfang Mai koordinierst du das Business Lab an der HKB. Künste und Unternehmertum – geht das denn zusammen? Können Künste auch «unternehmerisch sein»?
Für mich, ja. Nehmen wir das Beispiel eines Musikers: Dieser ist für mich per se ein Unternehmer. Nach fünf Jahren Studium muss er die Fähigkeiten, die er sich in seiner Ausbildung angeeignet hat, so in der Praxis umsetzen, dass er davon leben kann. Dies lässt sich mit einer Festanstellung zu 100 Prozent realisieren – oder etwa in einer Kombination aus mehreren Tätigkeiten, bspw. Teilzeit als Musiklehrer, Bandleader, Produzent und weiteren Engagements. Wenn er als Musiker aber selbstständig mehrere Tätigkeiten verbinden möchte – also gleichzeitig eine Band leiten, unterrichten und eine eigene CD produzieren möchte –, stellen sich ganz schnell unternehmerische Fragen: Wie kann ich eine Produktion machen, wie zahle ich meine Bandmitglieder, wie vermarkte ich mich bzw. die Band, wie organisiere ich eine Tour oder wie präsentiere ich mich auf Spotify? Marketing, Buchhaltung, Akquise und Verkauf werden zentrale Anliegen. In diesem Fall ist für mich ein Musiker per se ein «Cultural Entrepreneur». Als Unternehmer muss er stets den Überblick behalten, effizient und organisiert sein, weil diese Ressourcen wie Zeit und Geld immer limitiert sind. Somit gilt es, den «notwendigen Teil» so effizient wie möglich zu gestalten, damit er viel Zeit hat für seine Passion: das Musizieren. Unternehmertum ist also weder «Pain» noch Schimpfwort, aber richtig eingesetzt ein sehr effizientes Werkzeug, welches das Leben von der eigenen Passion ermöglicht.  

Kreativwirtschaft trägt mit einem immer grösser werdenden Teil zur Schweizer Volkswirtschaft bei. Werden die Creative Economies deiner Meinung nach immer noch unterschätzt?
Ich glaube, dass dies vor Corona so war, ja. Man konnte Kultur jederzeit konsumieren. Irgendjemand spielte immer irgendwo ein Konzert. Wie die Kulturschaffenden aber finanziert sind, kümmerte die Leute wenig, und die Wertschätzung fehlte oft. Durch die Krise hat die Gesellschaft nun realisiert, dass es ohne Kunst still um uns herum wird. Es fehlt etwas. Jetzt sind die Menschen hungrig darauf, wieder Kultur zu konsumieren – und zwar live und nicht am Bildschirm. Dies sehe ich als Chance für die Kreativwirtschaft: Nun können sich Kulturschaffende so positionieren, dass ihr Schaffen als etwas Wichtiges angesehen wird und nicht bloss im Hintergrund mitrauscht.  

Du sagst, dass Unternehmertum deine grosse Passion ist. Was zeichnet denn einen guten Unternehmer, eine gute Unternehmerin – mit Blick auf die Künste – für dich aus?
Meiner Meinung nach muss ein*e gute*r Unternehmer*in bereit sein, Fehler zu machen und die eigene Komfortzone immer wieder zu verlassen. Jedes Mal, wenn man dies tut, wird das Feld, in dem man sich gerne bewegt, grösser. Dabei kann man niemandem das Lampenfieber nehmen, aber man kann es verkleinern, um die eigene Bühne anschliessend zu vergrössern.  

Persönliche Motivation und persönliche Ziele sind für ein unternehmerisches Vorhaben also absolut zentral. Wie möchtest du als Inkubator Studierende und Mitarbeitende bei der Umsetzung ihrer Projekte/Geschäftsideen unterstützen und motivieren?
Mir ist wichtig, dass man niemanden dazu zwingt, Unternehmer*in zu werden oder unternehmerisch zu denken. Aber Werkzeuge des Unternehmertums können Studierenden und Mitarbeitenden helfen, ihre Projektarbeit zu erleichtern. Ich möchte diese Instrumente stufengerecht vermitteln und ihre «Benefits» aufzeigen. Mein Ziel ist es, die Leute auf dem Weg, den sie mit ihrem Vorhaben gehen wollen, mit meinem unternehmerischen Wissen und Netzwerk bestmöglich zu unterstützen. 

Das HKB-Business Lab der Zukunft – wie zeichnest du es? Was wünschst du dir?
Ich wünsche mir, dass Studierende und Mitarbeitende jederzeit vorbeikommen, wenn sie Fragen haben. Zudem sollen Studierende mit praxisorientierten Lehrangeboten das Unternehmertum verstehen lernen und Leute aus der Unternehmerwelt kennenlernen, mit denen sie sich identifizieren können. Und ich möchte ihnen dabei helfen, Netzwerke aufzubauen. Auch möchte ich