«Tattoos sind heute vergänglicher als früher.»
Alvin Reber tätowiert, ist Student im Bachelor-Studiengang Visuelle Kommunikation und Hilfsassistent im Druckatelier an der HKB. Hier spricht Reber über seine Einstellungen und Erfahrungen im Trendgeschäft Tattoos.
Seit wann studierst du an der HKB?
Ich habe 2017 angefangen, mein Studium nach einem Jahr, im Sommer 2018, unterbrochen und im Frühling 2020 wieder aufgenommen.
Wie alt bist du?
27 Jahre.
Wo kommst du her?
Aufgewachsen bin ich im Berner Mattenhof, geboren aber in Kenia. Als ich vier Jahre alt war, sind meine Eltern in die Schweiz gekommen. Respektive muss ich sagen: Meine Mutter ist in die Schweiz gekommen und hat geheiratet. Darum habe ich diesen speziellen Namen.
Am Telefon – mit diesem Namen – denkt man aber nicht daran, dass du aus Kenia kommst.
Das stimmt, und das fällt mir auch immer stärker auf.
Welche Sprache sprichst du daheim?
Mit meiner Mutter rede ich hauptsächlich Englisch, mit dem Bruder Berndeutsch. Meine Mutter verständigt sich auch in Kamba und Swahili.
Seit wann tätowierst du?
Erste Versuche habe ich 2016 gemacht, als ich im Vorkurs war. Ich konnte damals eine Tattoo-Maschine erwerben – und da fragten viele Kolleg*innen, ob ich sie stechen könnte. Das waren recht spontane Situationen. Es ging nicht darum, ein lange geplantes Sujet zu stechen, sondern die Aktion war Teil einer Einladung, eines Abendessens, eines Gesprächs.
Sind Tattoos demnach eher Resultat einer sozialen Situation und nicht primär etwas Ästhetisches?
Es geht immer um beide Aspekte.
Tätowierst du dich auch selbst?
Das letzte Tattoo habe ich mir im Oktober selbst gestochen, als ich in Quarantäne war. Es ist eine Figur, die ich erfunden habe. Dazu der Slogan: Jusqu’ici tout va bien. Es kam mir nichts Gescheiteres in den Sinn als dieser Spruch aus dem Film La Haine. Das Tattoo selber ist zu tief gestochen und darum total verlaufen. Es war ein Moment, es hat gepasst.
Bis jetzt ist alles gut gegangen …
… ist wohl nicht mein bestes Tattoo. Aber es hat in diesem Moment mega Spass gemacht.
Ich finde, der Spruch passt perfekt für ein Tattoo. Weil er auf diesen einmaligen Moment hinweist, an dem etwas Ewiges gestochen wird. Sind Tattoos für dich etwas Vergängliches oder etwas Ewiges?
Das finde ich eine schwierige Frage. So, wie ich es mache, sind Tattoos eher etwas Vergängliches. Generell gibt es in der Geschichte des Tätowierens schon sehr starke Trends. Derzeit sind die Gasttätowierer*innen, die auf Stör arbeiten, sehr angesagt. Das ist eine vergängliche Praxis. Es ist der Moment des Besuchs eines Gastes, der auf vielen Körpern seine Spuren hinterlässt. Die Motivwahl steht da etwas weniger im Vordergrund. Die so gestochenen Motive sind vergänglich, du hast sie nicht alleine, sondern teilst sie mit Kolleg*innen, die sich auch stechen lassen.
Es ist interessant, dass bei Tattoos immer beides drinsteckt, der flüchtige Moment des Stechens und das Bleiben des Motivs für immer.
Tattoos sind heute vergänglicher als früher. Durch die gesellschaftlich breite Akzeptanz und die enorme Praxis ist das Tätowieren gewissermassen auch beliebig geworden. Die Schwelle ist gefallen und der Boom hat auch zu einem Verschleiss geführt.
Welche Trends spielen bei Tattoos eine Rolle?
Ich beobachte, dass vermehrt an Stellen gestochen wird, die man sieht: an den Händen, im Gesicht. Dann sind bestimmte Motive beliebt: der Bolzenscheider, eine Rose, ein Krokodil …Die sind wie ein Stigma und es hat sie fast jede*r. Ich würde sie aber nicht als Trend einordnen, es sind einfach beliebte Sujets.
Werden dir deine Tattoos auch in 20 Jahren gefallen?
Das weiss ich nicht. Die Frage stelle ich mir auch nicht. Im Moment habe ich einfach Freude an meinen Tattoos.
Wie verhältst du dich gegenüber Tattoo-Trends, also Modeerscheinungen?
Es gibt halt Tattoos, die ich schön und cool finde. Die kopiere ich auch gerne oder imitiere auch mal den Stil.
Was ist denn dein Stil?
Keine Ahnung, dazu habe ich mir gar nicht so viele Gedanken gemacht. Ich glaube, Stil kommt auch mit der Erfahrung. Lange Zeit konnte ich keine gerade Linie zeichnen. Mittlerweile weiss ich, wie man die Maschine einstellt, wie tief ich stechen kann und will. Den Zugang zu etablierten Techniken, Schattierungen, Präzision habe ich noch nicht gefunden.
Was ist denn nicht dein Stil?
Was ich nicht so mag: farbige, naturalistische Tattoos.