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N°3/2021
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Stefan Ebner

Theater für Kinder ab vier Jahren – aber auch packend für  Erwachsene: Stefan Ebners Stück Bis einer heult wurde mit dem STELLA*20, dem Darstellender.Kunst.Preis für junges Publikum in Österreich ausgezeichnet. 

Zwei Typen im Anzug wollen hoch hinaus: Sie bauen Türme mit den sogenannten Kapla-Bausteinen, während im Hintergrund eine Frau auf einem Cello spielt. So die Ausgangslage im Stück Bis einer heult. Einer der beiden Männer ist der Theaterschaffende Stefan Ebner, der bisher vor allem als freischaffender Regisseur und Autor in seiner Heimat Kärnten in Erscheinung trat. Der 1979 in Klagenfurt geborene Theaterschaffende findet Abgrenzungen nicht notwendig. Ganz in diesem Sinne hat er an der Hochschule der Künste Bern Expanded Theater studiert. «Im Studium macht man sich viele Gedanken darüber, wie man über die jeweils aktuellen Theaterbegriffe hinausdenken kann.» Dieser Ansatz sei es gewesen, der ihn nach Bern gezogen habe. Mit einem Fuss in Villach und einem in Bern verbrachte er die letzten zwei Jahre häufig in Nachtzügen. Sein Hintergrund mag erstaunen. Ebner hat ursprünglich eine Ausbildung zum Förster gemacht und nebst der Forstwirtschaft Betriebswirtschaft und Germanistik studiert. «Musik habe ich seit jeher gemacht», verrät er. Er habe sich für alternativen Sound und Punk begeistert. Als er in einem Theater als Assistent arbeiten konnte, zog es ihm den Ärmel rein. «Im Theater kommt alles zusammen. Text, Musik, Bild, Körper und weitere Elemente finden zueinander», schwärmt er. Ebner begann mit Jugendtheater. «Die Welt der Jugendlichen interessiert mich, weil man in der Auseinandersetzung mit ihr auf seine eigene Jugend zurückgeworfen wird.» 2012 war Ebner Mitbegründer des TURBOtheater Villach, das mit seinem Namen ausdrücken wollte: «Wir geben Gas und gehen auch mal mit dem Kopf durch die Wand.» In Kärnten habe es so etwas zuvor nicht gegeben. «Jugendtheater wurde vernachlässigt.» Ebner ist davon überzeugt, dass man Jugendlichen eine Stimme geben muss. Das tat er auf unkonventionelle Art und Weise. Etwa mit ortsspezifischen Bühnensituationen (site-specific theatre). «Wir bauten ein Theater zu einer Disco um, in der alle Rollen, zum Beispiel jene des Türstehers, von Jugendlichen verkörpert wurden.»  

Freunde hätten ihn öfters mal gefragt, warum er nicht nach Wien oder Berlin gehe. «Doch ich mag es, wo ich lebe», so Ebner. Die Verbundenheit mit den Menschen mache etwas mit ihm. Villach mit seinen 60 000 Einwohnern liege an der Peripherie der Kunst. «Darin liegt ein gewisser Reiz.» Es sei auch ein Risiko, weil man die Sehgewohnheiten des Publikums schneller herausfordere, als dies in Wien der Fall wäre. «Meine Basis liegt in Kärnten, aber ich arbeite auch immer wieder darüber hinaus, etwa am Volkstheater in Wien», so der Vater von drei Kindern. Aktuell befinde er sich mit seinem jüngsten Sohn auf Radurlaub, verrät er während des Zoom-Gesprächs. Die Kinder hätten ihm häufig Inspiration geliefert. So seien etwa die beiden älteren Kinder grosse Fans der Trilogie Der Herr der Ringe gewesen. 2015 bekam Ebner die Gelegenheit, ein sogenanntes Klassenzimmerstück zu inszenieren. Er setzte sich mit Lessings Ringparabel auseinander und entwickelte eine Geschichte, bei der ein Hausmeister in eine Klasse geschickt wird, um etwas zu reparieren. Der Mann stellt sich als Nerd und eingefleischter Fan von Der Herr der Ringe heraus. Bereits für dieses Stück erhielt Ebner eine Nomination beim Theaterpreis STELLA. Auch mit suchtkranken Menschen entwickelte er schon Stücke, unter anderem einen Text, der von einem professionellen Schauspieler unter seiner Regie aufgeführt wurde. Es sei darum gegangen, den Suchtkranken Selbstvertrauen zurückzugeben. Doch Ebner betont auch: «Kunst kann zwar etwas Heilendes haben, aber es wäre ein Trugschluss, in die Kunst zu gehen, um geheilt zu werden.»  

Zurück zur Natur
Als er vor acht Jahren mit Theater angefangen habe, habe er sich von der Natur entfernt und einen eher intellektuellen Ansatz gehabt. «Ich habe ganz viel Theaterliteratur gelesen und hatte meinen eigenen Zugang noch nicht gefunden», so Ebner. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Aktuell verbringe er sehr viel Zeit in seinem Garten oder im Wald. In seiner Masterarbeit setzt sich Ebner mit Zusammenhängen zwischen Natur und Theaterschaffen auseinander. In seinem neu gegründeten fluiden Theaterkollektiv Material für die nächste Schicht geht es unter anderem um Analogien zwischen den Prozessen der Kompostierung und der künstlerischen Arbeit. «Die künstlerische Kompostierung besteht aus verschiedenen Organismen», so Ebner. Es gehe um die Pole Chaos und Ordnung, die man auch in der Natur wiederfinde.  Ebner möchte von der Idee wegkommen, Theater für verschiedene Altersgruppen zu machen. Das mit dem STELLA*20 ausgezeichnete Stück Bis einer heult soll alle ab vier Jahren ansprechen. Die Kapla-Steine kennt Ebner, seit er Vater geworden ist. «Damit wollte ich schon länger etwas machen.» Die zwei Typen in Anzügen (Ebner selbst und Martin Geisler) sorgen für ein absurdes Setting. «Wir fangen immer mit ganz wenig an bei der Entwicklung eines Stücks», so Ebner. Er wolle während der Arbeit entscheiden, was passiere, die Dinge erfühlen. «Ich bin sehr verspielt.» Es gebe kaum Text, dafür Livemusik. Die Musikerin und Performerin Jana Thomaschütz beweise im Stück auch darstellerisches Talent. Für ihn selbst sei es das erste Mal gewesen, dass er ein ganzes Stück lang auf der Bühne war, so der Theatermacher. An der HKB wurde er dazu angestossen, auch selbst zu spielen, vieles auszuprobieren.  Wird denn eigentlich irgendwann geweint, in einem Stück mit dem Titel Bis einer heult? «Wir sind oft knapp davor», so Ebner lachend. Am Ende des Stückes heulten allerdings nicht die Menschen, sondern Sirenen. Dass diese Arbeit ausgezeichnet wurde, bedeutet Ebner viel. «In der Peripherie wird man schlecht gesehen. Meistens kommen die Gewinner*innen aus Zentren wie Wien und Graz.» So ein Preis helfe auch dabei, Fördergelder zu bekommen oder an Festivals eingeladen zu werden. «Das Schlachthaus Theater hat uns allerdings schon vorher vertraut und in sein Programm aufgenommen.» Nach Bern kommt Bis einer heult auch in Graz, Salzburg und am Kultursommer von Wien zur Aufführung. In Bern spielte die Truppe bereits im Tscharnergut-Quartier in Bümpliz. «Unser Stück funktioniert für alle sozialen Gruppen. Auch für Kinder, die noch nie im Theater waren», so Ebner. Am Ende der Vorstellung dürfen die Kinder auch selbst auf der Bühne mitspielen. «Kinder geniessen es, Erwachsene mit Bauklötzen spielen zu sehen und zu beobachten, was wir damit machen», so Ebner. Erwachsene hätten jeweils eine andere Sichtweise. «Sie interpretieren das Stück zum Beispiel als Abbild einer Gesellschaft, in der Männer die Welt gestalten und die Frau im Hintergrund bleiben muss, bis sie sich selbst den Raum nimmt.» Er selbst sehe es vor allem als Ode an die Verspieltheit. «Es geht um die Freiheit, dass auch Männer in Anzügen jederzeit aus ihrer Rolle ausbrechen können.»