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N°4/2022
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Simona Shurbevska

Die Pianistin Simona Shurbevska studiert im Master Music Performance. Als Kind wollte sie Sängerin werden und performte mit einem Plastikmikrofon.

Text

Hat Kunstgeschichte, Literatur und Journalismus studiert. Sie schreibt für verschiedene Zeitungen in Bern.

«Brahms, Chopin und Schubert lassen mich schmelzen», schwärmt die Pianistin Simona Shurbevska über ihre Lieblingskomponisten. Schubert habe sie allerdings erst im letzten Jahr für sich entdeckt. Ein Dozent an der HKB habe sie dazu angeregt, den österreichischen Komponisten zu spielen. «Nun bin ich verrückt nach Schubert», so Shurbevska. Sie hat soeben ihr Masterstudium in Music Performance, mit einer Vertiefung in Music in Context, an der HKB begonnen. «Ich liebe Bern, denn es regnet viel. Und bei solchem Wetter bin ich besonders kreativ», so die im Jahr 2000 in Nordmazedonien geborene Studentin.

Foto: Tim Rod

Mit sieben Jahren fing sie an, Klavierstunden zu nehmen. Ihre erste Leidenschaft galt allerdings dem Schwimmen und dem Singen. «Meine Mutter erinnert sich daran, dass ich regelrecht erstarrte, wenn im Fernsehen gesungen wurde.» Shurbevska verlangte nach einem Mikrofon und erhielt eines aus Plastik, das sie rege für familieninterne Auftritte nutzte. Sie wollte in einem Chor singen und besuchte schliesslich die lokale Musikschule, wo sie sich für das Klavierspielen entschied, weil es das Instrument war, das sie von zu Hause kannte. «Mein Urgrossvater hatte ein kleines Klavier besessen, das bei uns herumstand.» Anfangs übte sie kaum. Wenn die Eltern sie ermahnten zu spielen, sagte sie: «Vielleicht später.» Druck habe es keinen gegeben. Mit 14 Jahren hatte sie dann so etwas wie ein Erweckungserlebnis. «Ich spielte an einem wunderschönen Sommertag, mit meinem Bruder zusammen, in unserem Hinterhof.» An jenem Tag verkündete sie wie aus dem Nichts: «Ich will Klavier studieren.» Nachdem sie die Musikschule in ihrer Heimatstadt Bitola beendet hatte, studierte sie in Skopje an der staatlichen Musikakademie und nahm an verschiedenen Meisterklassen teil.

Musik und Mussaka
Nun in Bern einen Master in Music Performance zu absolvieren, bedeutet Shurbevska viel. Das reiche Musikerbe aus dem Balkan will sie vermitteln, weil sie glaubt, dass Osteuropa oft einseitig wahrgenommen wird. «Viele verbinden den Balkan vor allem mit Wirtschaftskrise und armen Leuten.» Wenn sie in Lugano erzählte, sie käme aus Mazedonien, stellte sie fest, dass viele nicht wussten, wo das liegt. Nationalistisches Denken liegt Shurbevska fern. «Es gibt eine gemeinsame Balkankultur», ist sie überzeugt. Alle Länder seien durch die Herrschaft der Ottomanen geprägt worden. «Bei meiner Grossmutter standen ganz selbstverständlich Bücher auf Serbisch und Kroatisch im Regal.» Das gemeinsame musikalische Erbe vergleicht sie mit dem Essen. «Mussaka ist ein typisch balkanisches Gericht aus Kartoffeln, Eiern, Milch und Rindfleisch.» Doch jedes Land mache noch ein wenig etwas Eigenes daraus. «Die Griechen etwa benutzen Auberginen anstelle von Kartoffeln.» Mit den Volksliedern verhalte es sich ähnlich.Shurbevska stiess auf ein Lied, das in Serbien sehr bekannt ist. Tatsächlich hatte ein Unbekannter die Melodie des englischen Komponisten Archibald Joyce (1873 – 1963) für sein Stück An autumn dream mit einem schwärmerischen Text einer serbischen Frau, die an Liebeskummer gelitten hatte, zusammengefügt.

Generationenübergreifend
Da Musik verbindet statt diskriminiert, kann sie mehr als unterhalten. Neue Ansätze an der HKB versuchen, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Shurbevska besucht aktuell das Modul Musik und soziale Arbeit. Anlässlich eines Workshops trafen diesen Herbst Studierende aus beiden Disziplinen in Terra Vecchia, einem Tessiner Dorf, zusammen. Während fünf Tagen schlief die Gruppe unter ein und demselben Dach und suchte gemeinsam nach Anknüpfungspunkten zwischen sozialer Arbeit und Musik. «Es war eine sehr intensive Zeit», so Shurbevska. In verschiedenen Gruppen wurden individuelle Ideen ausgearbeitet. Shurbevskas Gruppe plant nun ein generationenübergreifendes Projekt. Auslöser dazu war das Treffen mit einem Tessiner Arzt, dem Leiter eines Pflegeheimes in Lugano, bei dem die Studierenden auf offene Ohren stiessen. Kinder und Senioren sollen im Dezember im Rahmen eines generationenübergreifenden Projektes in zwei Pflegeheimen, einem in Lugano und einem in Bern, gemeinsam musizieren.«Wir wollen, dass die Leute sich selbst ausdrücken können, unabhängig von ihrer musikalischen Vorbildung.» Auch einen Chor aus Afghanistan will Shurbevskas Projektgruppe beiziehen. Sie selbst wird natürlich am Klavier sitzen. «Wir nutzen die Magie von Weihnachten und wollen Jung und Alt glücklich machen.» Als Shurbevska als Studierende nach Lugano kam, sprach sie kein Wort Italienisch. «Eine befreundete Studentin aus Rom brachte mir die Sprache bei.» Statt Grammatik zu büffeln, sprach sie der Freundin einfach ganze Sätze nach. In drei Monaten sprach sie – wohl aufgrund ihres Musikgehörs – die Sprache fliessend.