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N°3/2022
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Roshan Adhihetty

Das Tolle an der Knolle: In seiner Masterarbeit im Studiengang Art Education hat sich Roshan Adhihetty intensiv mit Kartoffeln auseinandergesetzt. Im Gespräch mit der HKB Zeitung erzählt er, was er herausgefunden hat.

Text

Hat Kunstgeschichte, Literatur und Journalismus studiert. Sie schreibt für verschiedene Zeitungen in Bern.

Während der Pandemie verlor der selbstständige Solothurner Fotograf Roshan Adhihetty einen Auftrag nach dem anderen. «Ich suchte einen Job und fand schliesslich etwas bei einem Gemüselieferanten», so der 32-Jährige. Beim Abpacken des Gemüses stellte er fest, wie viele verschiedene Kartoffeln es gibt. «Das Gemüse, das bei der Arbeit auf den Boden fiel, durfte man nach Hause mitnehmen.» Als die Kartoffeln, die er mitgenommen hatte, zu spriessen begannen, entwickelten sie sich zu kleinen, individuellen «Monstern». Diese spezielle Ästhetik der Knollen faszinierte Adhihetty dermassen, dass er über verschiedene Sorten zu forschen begann. Schliesslich widmete er der Kartoffel sogar seine Masterarbeit, im Rahmen des Studienganges Art Education an der HKB. Verschiedene bildnerische und kulturhistorische Arbeiten zum Thema sind im Laufe von Adhihettys Recherche entstanden.

Für eine Ausstellung im Kunstraum Sattelkammer liess der Künstler kurzerhand eine Frittenbude installieren und servierte den Besucher*innen Pommes aus Ausschusskartoffeln. «In Kartoffelzuchten werden 50% der Knollen aussortiert. Sie sind entweder zu gross, zu grün oder zu fleckig», so Adhihetty. Wildkartoffeln seien mühsam zum Schälen. «Sie werden deshalb mit einer Maschine poliert und zum Glänzen gebracht.» Kartoffeln müssten ähnlich wie wir Menschen einem Schönheitsideal entsprechen. Forever Young lautet der Titel einer Arbeit, die Adhihetty im Rahmen der Diplomausstellung der HKB zeigen kann. Er konserviert ägyptische Frühkartoffeln in 75-prozentigem Alkohol, in Gläsern, die ihm ein Präparator zur Verfügung gestellt hat. Man muss an Damien Hirsts in Formaldehyd schwimmenden Hai denken und an den urmenschlichen Wunsch, ewig jung zu bleiben. An die unweigerliche Vergänglichkeit aller Dinge erinnert hingegen die Skulptur, die Adhihetty aus spriessenden Knollen geschaffen hat. Die Kartoffeln verschrumpeln, das Kunstwerk verändert sich laufend.

Mit Maschinenästhetik
In Zürich stiess Adhihetty in einem Archiv auf Bücher, die man nicht auslehnen kann, sondern nur mit Samthandschuhen anfassen darf. «Dabei entdeckte ich Illustrationen aus dem 16. Jahrhundert und zahlreiche Abhandlungen, die sich mit Kartoffeln auseinandersetzen.» In seiner fotografischen Serie Born versus made hat sich Adhihetty für die durch Maschinen erzeugte Ästhetik inspirieren lassen. Er stellt der Natürlichkeit der Kartoffel MDF-Platten aus dem Modellbau gegenüber. So spielt der Fotograf anhand von schwarz-weissen Proofs mit Bauhaus-Ästhetik und Kubismus. Ein weiteres Objekt zum Thema besteht aus einer Seite aus einem Gartenbuch des 17. Jahrhunderts, die Adhihetty pompös hat rahmen lassen. «Ich finde, dass der Text die Haltung des Menschen gegenüber Kulturpflanzen, die er verehrt und gleichzeitig beherrschen will, gut zusammenfasst.» Der Text handelt vom sogenannten Okulieren sprich davon, wie man Pflanzen veredelt.

Nacktwanderer retuschiert
Bevor Adhihetty an der HKB angefangen hat zu studieren, hatte er die École cantonale d’art de Lausanne ECAL besucht. Für seine Diplomarbeit fotografierte er Nacktwanderer*innen, die unter anderem eine Reportage in der New York Times illustrierten. Entstanden sind Bilder, die ein wenig an die Malerei des Romantikers Caspar David Friedrich denken lassen. Die Sehnsucht nach ursprünglicher Natur wollte Adhihetty festhalten. Dabei verraten die Protagonist*innen aber anhand weniger Details, dass es ganz ohne Zivilisation nicht geht. Die Wanderer*innen sind nur fast nackt. Einige tragen Turnschuhe in leuchtenden Farben, andere ein GPS-Gerät. «Die Komposition war mir bei dieser analog fotografierten Serie sehr wichtig», so Adhihetty. Kurzerhand retuschierte er zwei Wanderer, die blöd standen, aus dem Bild. Dies sorgte für Ärger und einen Medienrummel, mit dem Adhihetty niemals gerechnet hätte. Er hatte den ersten Preis beim Swiss Photo Award gewonnen. Als die Retusche ans Licht kam – Adhihetty war damit offen umgegangen –, wollte man ihm den Preis aberkennen. «Rein rechtlich konnten sie mich nicht disqualifizieren, deshalb wollte man mich auf den zweiten Platz setzen.» Adhihetty erfuhr drei Stunden vor der Vernissage in einem Medien-Communiqué, dass seine Bilder ein Problem darstellten. «Ich wollte keinen faulen Kompromiss eingehen und mir mein Preisgeld wegnehmen lassen.» Wutentbrannt ging er seine Bilder abhängen.

Der Skandal brachte ihm viel Aufmerksamkeit ein. Alle wollten wissen, was es mit der leeren Wand in der Ausstellung auf sich hatte. Adhihetty sagt, dass er im Rückblick viel aus der Sache gelernt habe. «Ich habe mich mittlerweile mit Objektivität und Bildretusche intensiv auseinandergesetzt», sagt er lachend. Das Fotografieren ist unterdessen nicht mehr der Hauptfokus von Adhihetty, der bald zum ersten Mal Vater wird. Die Branche sei schwierig. «Wenn du Pech hast, kannst du am Ende nur Hochzeiten fotografieren.» Als ein an der HKB in Kulturvermittlung ausgebildeter Dozent unterrichtet er am Vorkurs in Biel und St. Gallen Fotografie und Video. «Es macht mega Spass.» Seine eigene Ausbildung an der HKB hat er sehr geschätzt. «Meine Klasse war sehr heterogen. Ich war der einzige Fotograf unter lauter Designer*innen, Grafiker*innen und Illustrator*innen.» Diese Buntheit habe er anregend gefunden. «Genossen habe ich auch, dass man seine Module selbst wählen konnte und dabei individuell gefördert wurde.»