Playtime 2021 – Freilauf
Ein grosser Hase läuft frei herum, steigt Treppen hinunter, überquert Fussgängerbrücken, findet Eingang in ein musikmediales Spektakel – physisch und auf der Leinwand – und wendet sich ans imaginäre Publikum: «When you tell somebody else about this piece then you are lying.» Willkommen in der hybriden Welt von Alexander Schubert. Seine Werke sind Musik und Medienkommentar zugleich. Das lässt sich ganz anders, aber vielleicht verwandt, auch von einer Beethoven-Sonate sagen. Im Menuhin Forum spielte Simon Popp die Sonate Nr. 31 As-Dur op. 110, und Pianist Philippe Gaspoz bildete mit Boulez (Incises) die Brücke zu Chopins zweitem Klavierkonzert, interpretiert von Nikita Tonkonogov, begleitet von einem Streichquintett unter der Leitung von Monika Urbaniak. Willkommen in der Geschichte der Klaviermusik.
Das dritte Festival der Musikstudiengänge mit dem sprechenden Titel Playtime verband entlegene wie zugängliche, gegensätzliche und aktuelle Positionen aus dem laufenden Unterricht. 13 Tage lang, in Bern und Biel und an weiteren Orten, kamen Oper, Sound Arts, Klassik, Jazz, Composition, Musik und Bewegung und vieles, was dazwischenliegt, zu ihren Auftritten, das meiste wurde aufgenommen, vieles live gestreamt. Die laufenden Kameras entschädigten symbolisch für das fehlende Publikum und hielten fest, was physisch passierte, und das wanderte anschliessend in die Netzwerke. Der Jazz entdeckte und eroberte im Januar einen neuen Raum für sich – den Prozess in Bümpliz. Der Prozess ist Proberaum, Bühne, Residenz, Quartiertreff und Café-Bar in einem – und ideal situiert, um kleineren Ensembles einen professionellen Auftrittsrahmen zu bieten. In einem Hinterzimmer des Gebäudes, mit Ausblick auf die nächtlichen Güterzüge, war HKB-Soundtechniker Markus Gfeller am Werk und mischte die Signale zu einem live-stream fähigen Soundtrack, während sich auf der Bühne die Formationen für einmal nicht frontal ans Publikum richteten, sondern quasi nach innen kehrten. Extravaganter war da die Oper im Volkshaus Biel unterwegs – HKB-Alumna, Jazz-Sängerin und Pop-Performerin Marena Whitcher inszenierte eine überbordend lustvolle Collage mit fantastisch-surrealen Kostümen zum Thema Monster (musikalische Leitung: Riccardo Bovino). Ein Auftritt eines versprengten Hasen hätte hier nicht überrascht.