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N°2/2023
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2033, wie wird das sein?

2033, wie wird das sein?, fragte ein Call die Studierenden der HKB und lud zu künstlerischen Antworten ein, seien sie dys- bis utopisch. Die Einsendungen finden Sie verteilt über den ganzen 1. Bund, und das ganz so, wie sie uns erreichten. Keiner der ausgewählten Beiträge wurde korrigiert oder retuschiert, also keine Vision auch nur um ein Komma getrübt.

 

 

A Note to My Future Self
Alexandra Lewis, MA Specialized Music Performance – Oper

I have small plans for the future. I know it is not fashionable to think in the miniature, but I do not require flying cars, zombies, superpowers or god-forbid another pandemic. My plans are in contrast quite ordinary.

I plan for somewhere comfortable to live. Walls, roof, enough sunlight for plants I propagate from the healthier versions my green-thumbed friends have nurtured. Greenthumbed friends who are soft-hearted, who listen, who challenge, who create.

I plan for a bed, comfortable enough to sleep without dreams. To be content enough to fall asleep before the shadowed fingers of 3am find a way to pry my eyes open the way they do now. To sleep and awaken fresh, excited, and curious.

I plan for a table big enough to hold hand-made (sometimes burnt) dishes to be shared. Big enough for as many chairs as there are souls to feed, minds to engage, and personalities to meet. Big enough for wine-soaked nights and strong coffee mornings and every snack, meal, and conversation in between.

I plan for a sofa, deep and used and worn. Comfort for weary bones and a safe haven for discussion and compassion that my father’s father’s father did not dare to dream of. Knitted blankets covering my body created from the love of my grandmother in a promise of a warmth deep enough no open window can cool.

I plan for love. For a small ordinary love for life, for the people that foster that love, for the insignificant, trivial moments that make up a single future of an unimportant single person in the hopes that if that future is created for one – perhaps two or twelve others as well – that we will learn to love the little plans that create a bigger landscape of love in the future of us all.

 

 

auf den Kopf
Lara Dömer, Bachelor Fine Arts

das Weltgeschehen fällt dir auf den Kopf
das System in den Rücken
ich kann in dich hineinschauen
dort geht es tief hinab
darf ich mitkommen
tief hinab?
überwältigt
und es herrscht Chaos
ich hör dich reden
hier unten hör ich mehr von dir
sei politisch
du hast so viel zu sagen
stell dir vor
ich würde dich umstülpen
dich von innen nach aussen drehen
du würdest die Welt auf den Kopf stelln
darf ich mitkommen
die Welt auf den Kopf stelln?

 

 

Biel/Bienne Gleis 9
Louisa Merten, Master Contemporary Arts Practice

Der Zug, der um elf Uhr vierundzwanzig von Biel nach Bern fuhr, stand noch auf Gleis neun und hatte eine Minute Verspätung. Ich hatte den früheren Zug nehmen wollen. Ich schaute nervös aus dem Fenster auf die Schienen, die am Horizont im Sonnenlicht flackerten. Es war ein milder Tag im August. Draussen waren es vierzig Grad, drinnen hatte man den Zug auf fünfundzwanzig Grad heruntergekühlt. Ich fröstelte und legte mir die Strickjacke über die Schultern.
Mein Bruder B. erwartete mich. Ich weiss nicht, wie er mich gefunden hatte. Ich hatte ihn vor fast dreissig Jahren das letzte Mal gesehen, als sich unsere Wege getrennt hatten. Er war als Aktivist in den Untergrund gegangen, in die graue Zone, um an der Auflösung der Zonengrenzen zu arbeiten.
Gestern hatte er sich bei mir gemeldet. Ein handgeschriebener Zettel in meinem Briefkasten. Ich hätte die Handschrift auf tausend Kilometer Entfernung erkannt. Sein Kringel beim D war seit der ersten Klasse derselbe. Es sei wichtig hatte er gesagt. Er hätte nicht mehr viel Zeit. Es wäre vielleicht die letzte Möglichkeit, ihn zu sehen.
Der Zug machte einen Ruck und schob sich aus dem Bahnhof. Wir fuhren in die Verwundbarkeit, sie klebte an den sandgelben Gebäuden, an denen er vorbeizog und hing in der Luft, zwischen einem lotterigen Zaun aus abgebrochenen Sätzen. Ich verstand, warum B. damals aus der grünen in die graue Zone abgehauen war. Warum er alles hinter sich gelassen hatte, was er kannte und was ihm lieb gewesen war – seine Freunde und seine Familie. Er hatte mir Mut gemacht zu fliehen, aber ich hatte Angst gehabt, mich ohne Sicherheitsnetze in dieses Leben zu stürzen. Unsere Wege hätten sich sicher getrennt, auch in der grauen Zone. Heute wünschte ich, ich hätte mehr Mut gehabt und mich ihm angeschlossen. Heute war ich die Gefangene. Ich sass im Zug und wurde von der Maschine verdaut, die sich selbständig gemacht hatte. Es hatte B. gequält, die Kunststimme zu hören, der die Stimmbänder fehlten und damit auch das Kratzen und die Möglichkeit, zu versagen. B. hatte gesagt: «Ich vermisse das Menschliche in dieser Stimme, die Narben, das Erlebnis, das der Maschine die Stimme eindrückt, ihr Dellen zufügt, sie zerschrottet, sie zerknüllt, als wäre ein Auto mit siebzig Stundenkilometern in sie hineingefahren.»
Der Automat versprach sich nicht. Er versprach nur: Wir sind in Lyss. Nächster Halt Bern. Er wusste alles und kannte nichts. B. hatte einmal gemeint, es wäre seltsam, dass es dafür auf Englisch nur ein Wort dafür gab: To know.
I know Lyss – ich habe davon gehört und I know Lyss – ich habe zehn Jahre da gelebt; the same thing. Die Kunststimme tat, als hätte sie Lyss gekannt. Als käme sie aus Lyss, als sei sie da geboren und aufgewachsen und hätte dann einen Job als Zugstimme bei der BLS gefunden.

Die grauen Siedlungen drängten sich an die Bahngleise. Ich hätte nach der Wäsche greifen können, die an den aufgespannten Leinen an der Sonne trocknete. Die Zugschienen durchschnitten die grauen Dörfer sprichwörtlich, ohne dass jemand, der in der grauen Zone lebte, die Züge benutze. Sie durften nicht. Man brauchte eine grüne Karte, um in den Zügen mitfahren zu können. Es gab keine Züge, die in die grauen Bereiche fuhren, auch keine befahrbaren Strassen. Die grauen Siedler waren Selbstversorger. Von offizieller Seite hiess es sie wüssten nichts voneinander. Aber jeder wusste, die grauen Siedlungen hatten untereinander Kontakt, sie hatten ihre Tunnels, über die sie sich austauschten. Man wusste auch, es gab regelmässig Einstürze mit vielen Toten, weil die grünen Siedler über den Tunnels ihre Häuser bauten, weil ihre Züge darüber verkehrten und weil sie von der ausgehöhlten Erde und den Menschen unter ihnen scheinbar nichts wissen wollten. Irgendwo unter ihnen wohnte B. und bewegte sich durch die Schächte. Vielleicht hatte er noch dieselben Angewohnheiten wie früher. Vielleicht rollte er seine Socken noch zu einer Kugel zusammen, wenn er sie versorgte. Vielleicht schenkte er sich den Schwarztee immer noch in umgekehrter Reihenfolge ein: Milch, Wasser, Teebeutel. Vielleicht faltete er den Lappen immer noch einmal in der Mitte, bevor er ihn über den Wasserhahn hängte. Die Zeit, die verstrich, hatte mich hinter dicken Mauern eingesperrt, wo ich sie nicht empfangen konnte. Der Moment als ich B. zum letzten Mal in den Armen gehalten hatte war surreal gewesen. Wir wussten, dass wir diese Körper nie wieder umfassen würden, aber wir hatten es nicht geglaubt. Sein Körper war hinter den Worten, in den Briefen und Emails, die er anfänglich noch versandt hatte, allmählich verschwunden. Die grünen Politiker diskutierten sich die Köpfe heiss, was mit den Menschen in den grauen Zonen passieren sollte, die nur Platz brauchten, Gebiet, das renaturiert und wiederaufgeforstet werden könnte. Man sprach davon, sie vollends unter die Erde zu schicken und der doppelte Boden dieser Wendung war längst kein Versehen mehr.
Beim Anblick der Häuser mit den bröckelnden Fassaden fühlte ich mich wie die verkrüppelten Bäume am Rand der Gleise, die der Witterung nicht mehr standhielten. Einige kleine, dicke und robuste Palmen hielten ihnen die Wedel entgegen, als würden sie den dünnen Bäumchen die Zunge herausstrecken. Der Zug glitt sanft und widerstandslos durch die satten, grünbraunen Töne, die grünen Hügel des Naturschutzparks in den dichter werdenden Wald. Wir fuhren über nichts, als einem grünen Flaum. Eine Vorahnung beschlich mich. Die grauen Siedler hatten die Hügel untertunnelt. Wir würden einstürzen. Eine simple Lochfalle. Das war ganz B. Er hatte gedacht, ich wäre im früheren Zug. Ich stand auf und schaute in die Runde. Die anderen Passagiere hingen mit Kopfhörern an ihren Telefonen.
«Wir müssen anhalten», sagte ich.
Keiner schaute auf. Ich redete ins Leere – als wäre ich in einem Traum und redete mit mir selbst. Als wäre ich aus der Vergangenheit in die Zukunft gereist und keiner könnte mich sehen.
«Das ist eine Falle».
«Habt ihr gehört? Das ist eine Falle!»
«Hört mir einer zu?»
Ich hämmerte gegen den Stoppknopf und schrie.
«Das ist eine Falle, wir werden alle sterben!»
Der Mann im Abteil nebenan schob seinen Kopfhörer ein wenig zur Seite und sah mich an.
Ich holte Luft.
«Hallo – ist das der Zug nach Bern?»
Er schob sich den Kopfhörer wieder übers Ohr. Ich hämmerte erneut auf den Stoppknopf.
«Anhalten, wir müssen anhalten!»
Der Knopf wurde grün, doch der Zug hielt nicht, er fuhr weiter, er hatte das Anhalten für die nächste Station registriert und raste führerlos Richtung Bern, wo er halten würde, selbstverständlich, da brauchte niemand einen Knopf zu drücken, das wusste er, dass er in Bern anhalten musste, er wusste auch, dass Bern zurzeit eine Fläche von dreiundfünfzig Quadratkilometern hatte und dass diese Zahl hundertsechsundfünfzig Mal in der Fläche des Ngorongoro Nationalparks in Tansania Platz hatte, aus dem Abgeordnete der grünen Regierung in Zusammenarbeit mit der tansanischen Regierung alle Menschen vertrieben hatten, um den Tieren ihren Lebensraum zurückzugeben. Er wusste, dass in Bern offiziell über hundertvierzigtausend Menschen lebten und inoffiziell noch mehr, und dass man achtzigtausend Maasai aus dem Ngorongoro Nationalpark vertrieben hatte und dass 80 000 mehr als die Hälfte von hundertvierzigtausend war, weil nämlich 70 000 die Hälfte von 140 000 war. Das alles wusste der Zug schon, das brauchte man ihm nicht mehr zu erklären, man brauchte ihm überhaupt nichts mehr zu erklären. Er hatte alles berechnet, schneller als ein Mensch das Wort «Zahlen» überhaupt denken konnte und es machte Sinn, er hatte alles kalkuliert, er würde trotz der Minute Verspätung pünktlich in Bern sein, denn er hatte die Minute kurz nach Lyss aufgeholt.

«Anhalten!», schrie ich und packte den metallenen Henkel, die geriffelten Dellen, in die sich meine Finger automatisch platzierten. Ich zog die Notbremse. Von der Wucht des Tempoverlusts wurde ich nach vorne geschleudert und flog meinem Ziel entgegen. Ich hörte die Erde unter uns bröckeln. Ausser mir hörte es keiner. Die Menschen hatten sich mit Kopfhörern in ihre Sitze gekuschelt. Der Zug neigte sich in Schieflage, da erwachten sie und filmten die Aussicht aus den schräggestellten Fenstern. Die Gleise brachen weg, der Zug rutschte in den Graben und kippte. Die Sitze und die Tische drehten sich über unsere Köpfe, sie rasten auf meinen schreienden, geöffneten Mund zu, aus dem in der objektiven Wahrheit der Maschine kein Laut drang. Die Grenzen lösten sich auf, Obergrund traf auf Untergrund und Untergrund auf Obergrund und ich sah zunächst grün, dann grau.

 

 

 

Château
Alice Kübler, Bachelor Écriture littéraire

Sur les hautes tours
du lichen s’est propagé
Avec les siècles
manger les sédiments
vomir la poussière
Bang
bye
dire adieu aux châteaux

 

 

 

Collection
Maurane Formaz, Bachelor Écriture littéraire

L’avenir c’est les étoiles éteintes
qui brillent encore.
L’avenir c’est iel.
L’avenir c’est beaucoup de morceaux d’espoir.
L’avenir c’est les arbres qui remplacent
le goudron qui les avait remplacés.
L’avenir c’est celleux qui n’en ont pas.
L’avenir c’est s’il reste de l’eau potable.
L’avenir c’est aussi pour les lève-tard.
L’avenir c’est de la folie.
L’avenir c’est ici, là-bas, partout,
car il y a plusieurs voies.
L’avenir c’est le temps qui se déguise.
L’avenir ça devrait être comme
l’imaginent les enfants.
L’avenir c’est un privilège.
L’avenir c’est les champs de tournesol.
L’avenir c’est des animaux marins
qui ne se mutent pas en sacs plastique.
L’avenir c’est faire confiance au soleil pour
qu’il n’oublie pas de se lever.
L’avenir c’est pouvoir choisir de ne pas
répéter l’histoire.
L’avenir ça empêche parfois de dormir.

 

 

Demain, 2023
Linda Bühler, Bachelor Écriture littéraire

L’air est pur et agréable à respirer ; aucune fumée de pot d’échappement à l’horizon. L’énergie fossile a peu à peu été remplacée par la solaire. La pénurie de pétrole et l’urgence climatique ont obligé les peuples à repenser leurs moyens de locomotion. De mauvaise langues pourraient dire qu’on est revenu au Moyen-Âge, mais les échanges sont plus vrais. Les smartphones ont peu à peu disparu, alors qu’on a pu prouver leurs effets désastreux sur deux générations et leur faculté à s’exprimer. Le soleil brille sans brûler les peaux ; la couche d’ozone a été préservée à temps. Tous les animaux, êtres humains compris, vivent en bonne harmonie. L’élevage intensif a été abandonné, au profit de rapports plus respectueux entre les êtres vivants. Le végétarisme est la norme ; on ne mange de viande que lorsqu’un animal meurt naturellement et c’est alors une grande fête, où on rend honneur à chaque morceau. Le plastique a été banni, totalement interdit ; une taxe de pollution introduite. Alors les usines ont fermé, faute de matière première. Fini le made in China. Aucun nouvel objet n’a été produit, il y en a assez sur Terre pour les prochaines décennies. L’entraide et le prêt sont devenus des valeurs fondamentales ; aider au lieu de consommer, telle est la devise des Terriennes et Terriens de 2033. En paix avec la nature, elles et ils ont retrouvé d’ancestrales manières de créer des outils et jouets avec peu de choses, et complètent ainsi les objets qu’elles et ils possèdent déjà.

Le problème de la surpopulation n’existe plus, car les êtres humains se limitent naturellement à un ou deux enfants par famille, selon ce qu’ils peuvent leur offrir et toute la société les soutient dans ce but de formation. Ainsi, grands-parents, oncles et tantes, professeures et enseignants, tout le monde aide les jeunes parents à l’éducation des enfants.

La Terre est devenue un grand village, sans guerre, sans corruption, sans tuerie, sans attentat. Il n’y a plus de frontière ni de barrière, tout le monde partage ce qu’il a avec autrui, dans l’amour et la joie. Naissances comme décès sont ritualisés, célébrés à leur juste valeur. Comme un passage obligé dans ce monde qui ne nous appartient pas et dont nous ne sommes que les locataires. Il fait bon vivre sur Terre, en 2033.

 

Der Bauplan – Homage an Blame! von Tsutomu Nihei
Milo Ranft, Bachelor Vermittlung in Kunst und Design

Umgeben von Dunkelheit und metallischem Knirschen schritt sie durch die Gänge der verlassenen Megacity. Ein Wind zog durch die kilometertiefen Schluchten der Stadt, kühl, aber still. Es war unheimlich still, aber doch hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Man wusste nie, ob vielleicht doch ein Architekt in der Nähe war.

Den schmalen Pfaden folgend, bewegte sie sich weiter vorwärts einem Ziel entgegen, dass sie noch nicht kannte. Die Metallrohre, die sich wie gigantische Knochen erstreckten, wirkten wie stumme Zeugen einer längst vergangenen Zeit. Immer wieder spürte sie ein Gefühl von Beklemmung, während sie tiefer in die Stadt vordrang. Es war als würde sie sich im Innern eines lebenden Wesens befinden. Und sie war Nahrung im Magen dieses Wesens.

Die Dunkelheit war allgegenwärtig, nur von den schwachen Lichtern unterbrochen, die von den wenigen intakten Lampen ausgingen. Sie fühlte sich verloren, in einem Labyrinth aus Stahl und Beton gefangen, ohne klare Orientierungspunkte. Nach einer Zeitspanne, die in den Gängen der Megacity schwer abzuschätzen war, erreichte sie einen kleinen Raum, an dessen hinterer Wand eine Schaltfläche war. Einer der Knöpfe leuchtete grün. 3124. Der Knopf am oberen Ende der Schaltfläche zeigt die Zahl 5723. Unsicher was sie tun sollte, schaute sie sich im Raum um. Entdecken konnte sie jedoch neben Ölschlieren und einem dunkelbraunen Flecken an der Wand nichts. Sie wollte gerade wieder zur Tür gehen, da hörte sie ein leises Surren und Klicken. Sie wusste sofort, was es war.

Vermutlich ihr Ende, ein Architekt.

Zitternd, aber entschlossen drehte sie sich um und drückte den Knopf mit der Zahl 5723. Der Raum setzte sich innerhalb von wenigen Sekunden in Bewegung. Aufwärts, in hohem Tempo. Erleichtert hockte sie sich auf den schmierigen Boden und atmete tief ein und aus.

Stunden vergingen, während sie darauf wartete, dass der Lift sein Ziel erreichen würde. Es mussten Kilometer sein, die sie and Höhe gewann. Während sie wartete, inspizierte sie noch einmal den Raum und nahm den dunklen Fleck etwas genauer in Augenschein. Sie roch daran, nahm aber nur den Geruch des Öls und Metalls wahr. Bei näherem Betrachten war er doch nicht braun, eher rot. Vielleicht wollte sie es doch nicht so genau wissen, woher der Fleck kam.

Mit einem Rucken kam der Lift zum Stillstand. Die Tür öffnete sich und dämmriges Licht strömte hinein. Sie trat hinaus auf eine Ebene. Eine Wüste aus Eisen. Aus Rohren, Kabeln, Antennen, ausgebrannten Hüllen riesiger, metallener Körper und Lachen schwarzer Flüssigkeit.

Über ihr erstreckte sich der Nachthimmel. Trümmerbrocken des Mondes verschwanden hinter Wolkenfetzen und erleuchteten die graue Einöde vor ihr.

Surren. Und Klicken.

Ihre Nackenhaare stellten sich auf.

Sie drehte sich um und wollte zum Lift rennen, doch dort wo er eben noch gewesen war, befand sich nichts. Sie war gestrandet in der Wüste aus Metall. Immer mehr Surr- und Klickgeräusche wurden hörbar. Mit Entsetzen beobachtete sie, wie sich aus den Schatten der ausgebrannten Roboterkörpern und aus den schwarzen Lachen, entfernt humanoide Gestalten schälten. Halb Metall, halb organische Masse.

«Der Bauplan benötigt deine Ressourcen», sagten sie unisono, als sie sie langsam einkreisten.

 

 

Meanwhile
Emmet Ward, Master Contemporary Arts Practice

Welcome to meanwhile.
Yes this is where I came to let go, to feel empty, to overflow
And all the while how late it gets,
Time doesn’t care that my watch is set precisely two millennia early
Nor that my heart stops between beats – and all these feats of the extraordinary
But here we are, the shades that rise out from the postcard veil of our wasteland,
There’s a vent in the corner of this pastoral mask
Exhaling the hot breath of the dump’s gut,
Welcome it and let us sink into our compromise of eden
Like a worm split into one end and three beginnings

But where is the welcome of bodies that once sat upon this wall?
The ghosts that will welcome each other in front of a fire
With stories of old and new and not yet told,
In meanwhile there’s a woman who sings a rousing concert into a corner
Letting the joint of the walls divide her shyness
While her sister dances boldly over the floorboards
Rollicking like a bell to flirt with the rafters,
Meanwhile a paper thin thing with a creased forehead
Reads lines from a book burnt to ash
Behind a pint of holy water
Set upon a sticky wooden table.
And then there’s him,
That muttering youth with a split second smile
His long fingers treading water
In the shallow summons of a trouser pocket,
The chimes of change jangling on polished nails.
Is it yet time? Too late either way
Because there in meanwhile, a child sits in turn
Heavy eyes bidding the room into an imagining,
A slumber of seven suns setting into a night of stories undone.

But, what’s that there in the water?
The quarterly mission statement from the CEO of ecstasy,
A eulogy for the world born asleep
How to utilise and manage optics of the personal brand
With a demographic lick and tease,
Time to wake the world up and edge it breathless!
It’s the market force fit for purpose
Laying the bottom line of the data mine
To stitch starch sheets to a sticky, viscous spine,
Capture the moment, witness the future
A zero hour contract wake and a dial tone funeral
All catered for by our alumni constellations,
It’s a milestone in motivation,
An exercise in benefit analysis,
Watch your heart rate on one wrist
Wear eau de socio-didactic-viability on the other
And cufflinks to fans-only resumes on the rest,
Cell renewal on a plastic platter of pills and lies
And my silk tie knotted at the hinge of your thighs!
So be a team player – call a client and tell them you love ‘em,
Double down on human-ness to drive the premiums
On the market’s prize specimen
And let us lunch at the haunches of this sacred cow.

Welcome to meanwhile: where the time is now and the now is ours!
But where now is our sunset?
Such strange weather we have today – the wind blows like it has an itch,
Go find it my dear, the benefit is in the scratch,
It’s the the second’s distraction
The itching fingers of a windswept hour hand,
Know that I love and respect you,
Dig your nails in, and know that I care.

 

 

So etwas wie Utopie
Lukas Paulsteiner, Bachelor Theater

«Ja, aber weißt du, wir stecken halt schon so tief in diesem Selbstoptimierungs-Kapitalismus drin,
wir sind quasi gar nicht mehr in der Lage anders als so zu denken.»
«Hey habt ihr mitbekommen, dass die HKB-Zeitung auch so eine Ausschreibung gemacht hat,
dass sie einen Artikel über Utopie brauchen… gibt auch hundert franken Honorar.» «Geil.»
Lass uns trotzdem weiter von der großen Utopie träumen. Und lass uns vergessen, dass ein endloser Fluch auf uns liegt.
Lass uns trotzdem weiter davon reden die Welt zu verändern. Und lass uns immer glauben, dass der Mensch sich ändern kann.
Lass uns weiter aufs große Glück pokern. Und lass uns dieselben alten Karten mischen.
Lass uns unters Meer und auf den Mars ziehen. Und lass uns mit alten Werten aufs neue Land setzen.
Lass uns für jeden von uns neue Götter schaffen. Und lass uns mit ihnen zusammen über unsere strahlenden Pläne lachen.
Lass uns alleine leben damit wir frei sind. Und lass uns zusammen leben damit wir sicher sind.
Lass uns alles tun auf was wir Lust haben. Und lass uns an alle Regeln halten damit wir niemanden verletzten und unsere Umwelt schützten.
Lass uns unseren eigenen Style feiern damit wir uns selber gut finden. Und lass uns unser Innerstes nach außen stülpen damit andere uns bewundern.
Lass uns nach dem Leben trachten, damit wir uns lebendig fühlen. Und lass uns genügsam sein, um uns selbst zu finden.
Lass uns die Gartenzwerge in den Gärten der Reichen umschubsen. Und lass uns arbeiten gehen damit wir genug zum Leben haben.
Lass uns mit unserem Shoptimismus kostengünstig die Welt retten. Und lass uns für den Sieg all unser Geld ausgeben.
Lass uns vor allem alles genau so machen, dass es für alle gut ist. Und dann lassen wir’s gut sein.

 

 

 

Sogar die Luchse schauen vorbei
Marc Herter, Bachelor Literarisches Schreiben

Hier zeigten sich die Eisvögel. Sie würden sich ausruhen, vielleicht gingen sie auf die Jagd. Man müsste sie beobachten, um das herauszufinden. Aber das könnten wir. Wir hätten die Zeit dafür. Maschinen und Algorithmen hätten die Zeit für uns gewonnen. Die Tiere wären gerne bei uns. Sie kämen von ausserhalb, würden vorbeiziehen, manchmal auch bleiben. Sie fänden Balzplätze, Futter, Schutz, oder einfach eine schöne Aussicht. Wir schätzten die Anwesenheit der Vögel, der Bienen, Frösche, Igel. Kürzlich hätte sogar ein Luchs durch das hohe Gras geblinzelt. Er wäre ein seltener Gast, den nur wenige bemerkten. Wir liessen einander leben und teilten unseren Raum.

Dieser Ort läge in der Stadt, umgeben von Häusern. Manche Leute behaupteten irrtümlicherweise, er befände sich am Waldrand. Er wäre so dicht bebaut und bewachsen, dass die Grenzen zwischen den Welten verflössen. Unsere Häuser schwämmen im üppigen Grün wie Inseln und würden von ihm verwurzelt.

Wir wären eine lose Gemeinschaft, aneinandergebunden nur durch unser Interesse an diesem Ort. Wir machten alle das, was wir zu tun vermochten. Wir wären uns einig, wir würden streiten, nicht mehr miteinander sprechen, wieder miteinander sprechen, die Köpfe zusammenstecken, in die Ferne blicken und wieder auf den Boden, tanzen, feiern, wahrscheinlich auch weinen und uns trösten. Es gäbe keinen Sonnenuntergang am Ende der Geschichte.

Es wäre niemals alles gut, es gäbe keine utopische Vorstellung dieses Ortes, es gäbe einfach diesen Ort. Wir würden unser Handeln daran messen, ob uns die Eisvögel noch immer besuchten und was wir dem Ort zumuten könnten. Es wäre jeden Tag etwas Anderes. Es wäre ein Seiltanz im Freien und wir auf der ständigen Suche nach Balance.

Wir wüssten, dass alles, was lebt, alles was wächst, niemals fertig sein kann. Perfektion gibt es erst mit dem Tod. Die Teiche, die Pflanzen, das Grün, sie wären nie perfekt. Unsere Häuser wüchsen in alle Richtungen. Wir wohnten darin, solange sie unfertig wären. Wir würden immer weiterbauen und die Stockwerke in die Lüfte stapeln oder in den Boden graben. Wir passten die Häuser unseren Bedürfnissen an und jenen des Ortes. Wir würden sie mit ihm verweben. Manchmal gönnten wir uns eine Pause, überliessen den Ort sich selbst, wenn wir zu viele Ideen in ihn hineingetragen und ihn zu sehr belastet hätten. Er würde durch uns atmen und wir durch ihn. Nicht nur unser Handeln, auch wir selbst, wären mit ihm verwoben. Wir schlügen Wurzeln.

Wir würden den Prozess perfektionieren, wir würden scheitern und aus den Scherben etwas Neues schaffen, vieles gelänge uns und würde trotzdem verworfen. Der Ort wäre nie fertig, er wäre unser Lebensprojekt – und das aller anderen. Die Leute von ausserhalb kämen gerne, würden vorbeiziehen, manchmal auch bleiben.

Sie fänden Ruhe, Inspiration, Gesellschaft oder einfach eine schöne Aussicht. Wir sprössen wie ein Rhizom und erreichten alle. Es entstünden weitere solcher Orte, unterschiedlich und gleichranging.

Die Luchse huschten zwischen den Häusern hindurch, die Eisvögel jagten in den vielen Teichen, wir badeten darin und bewohnten mit den Igeln das Unterholz.

 

 

The Future
Ana Duran, Master Contemporary Arts Practice

My story is somewhat uniquely common, as I am the product of a historical milestone that changed the course of humanity. Decades ago, when humans arrived on Mars, they were able to spot other living. At first they tried to categorise all the differences, but then there were so many that they started to lose their track and become a little nuts. It was so difficult to teach and pass on the knowledge, just putting the data into the data. The rich diversity of extraterrestrial life on the planet that they could see from the red planet was brutal. Eventually aliens we were all mingled.
Our body shapes were so diverse with amazing abilities thanks to genetic modification. Together, facing emotional and physical challenges, we believe we discover the true essence of what we use to call humanity, beyond physical appearances or cultural differences.

It was a pivotal moment, exciting and challenging at the same time. Communication was complicated at first, as we had differences in language and understanding of customs and cultures. However, thanks to advances in technology, we developed real-time translation devices that allowed us to interact and understand each other.

As we worked together with the aliens (which I know is a very offensive way to say, but then how I explain properly) on research projects, a relationship of mutual respect was established and we learned a great deal from each other. Aliens (I know I should stop saying this) from different planets brought cutting-edge scientific and technological knowledge, while humans shared experience in space exploration and life on Earth.

I remember when it was discovered how to insert fish genes into our skins. It allowed you to change your skin colour and pattern depending on your moods. But the coolest thing was that it also allowed you to breathe oxygen in water. This opened up new possibilities for exploration, as we were able to access previously unexplored places, such as underground lakes and rivers.

I saw in some data about the concept of race, gender and sex, I don’t understand how at one point it was important, these issues are now obsolete. The diversity of extraterrestrial life forms on Mars made the notion of “human” broaden to include everyone, regardless of their appearance, origin, gender or planetary identity. Peaceful coexistence and respect for diversity became the pillars of our interplanetary society.

Over time, we have become more and more mixed. I won’t deny that there are still people who try to divide you depending on what planet you come from, but it’s absurd and crazy because if you inserted any gene you could have completely changed your appearance and it’s immensely difficult to trace your true origin. But honestly most of us are trying not to get stuck with that. As interplanetary relations have strengthened and it has become common to see people with pigmented skin like fish, or with physical characteristics and features that reflect the diversity of life in the universe.

I am grateful to have been raised in an environment where diversity is celebrated and where tolerance and respect are the foundation of our society. The experience of interacting with different forms of life has enriched my life in unimaginable ways, and I continue to marvel at the wonders of the universe that I am able to witness at my home on Mars (well my main one is to be there but normally im not even there, you know what I mean?).
Lately, I have been suspecting that there’s something wrong going on with the translation devices. Things are glitching some times, somehow different than before. Probably I should just ignore it.

 

 

Utopie
Samragni Dasgupta, Shreyan Saraswat, Ursula Dolički, Bachelor Theater

1 hot plate
1 coffee pot
coffee powder
cups

Boil the water
Add 1 teaspoon of ground coffee per cup
Create a tornado in the coffee pot with a teaspoon
Bring to a boil
Turn the temperature down
Add a drop of cold water to let the coffee grounds sink to the bottom
Pour the coffee into the cups carefully
Serve
Drink coffee together

In 2033, I would like a world where there are more people of colour who teach us about the world, the different cultures that exist and the history beyond our textbooks. I would imagine a world where we can travel despite borders, and experience life that is equal. Where spring still exists, and there is no carbon emission. I imagine a world filled with love and beauty, where people can hold hands without fear and love freely.

I imagine a world where I am happy, and glad to be alive. I would like to imagine a world where I feel free to be who I want to be and can express myself fully without any fear. A world less prone to war and more open to collaboration where borders start to get blurred and opened for refugees in need.

Hereby I would like to commit myself to Utopia and pray to her one time each day.

Utopia has been my loving companion over the past few weeks. My optimistic girlfriend. A handbag I always carried with me. She reminded me that what is right now doesn’t necessarily have to be. That there are other possibilities. My glowing red little handbag. I discovered that she is useful in a world that pretends to be as it is.