Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
N°1/2025
i

Nische bleibt Nische

Berner Kulturmedien: Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Die Antwort liegt dazwischen – in einem löchrigen Gefäss.

Text

ist Medienjournalist und leitet die Medienwoche. Daneben unterrichtet er an der Journalistenschule MAZ und der Schule für Gestaltung Bern und Biel.

Alles ist Kultur. Selbst Fitness-Spielzeug aus Südkorea zählt dazu. Ein Produkttest von Tracking-Fingerringen stand unlängst an der Spitze der Tamedia-Kulturrubrik auf den Websites von Bund und Berner Zeitung; kein Versehen, sondern Ausdruck eines weiten Kulturbegriffs, der sich von Film bis Fitness, von Literatur bis Lebenshilfe erstreckt.Wenn gleichzeitig auch das Schweizer Radio und Fernsehen SRF seine Kulturberichterstattung nach massentauglicher Wirksamkeit ausrichtet und journalistisch anspruchsvolle Formate wie «Kontext» opfert, schwindet die Hoffnung auf Besserung.Doch Lücken laden auch dazu ein, gefüllt zu werden. So ist in Bern als Reaktion auf den Tamedia-Abbau, aber auch unabhängig davon, über die Jahre eine vielfältige Landschaft alternativer Medien entstanden – von Journal B über Hauptstadt bis Plattform J – die auch das lokale Kulturschaffen im Blick behält. Und auch an Kulturmedien mangelt es nicht. Die Liste reicht vom Magazin Ensuite über die Berner Kulturagenda, das Onlinemagazin KSB bis zum «Listen Up!»-Popletter und der HKB-Zeitung, die Sie in den Händen halten – eine lebendige, lokale Fachpublizistik, die sich beständig und tiefgründig der Kulturproduktion widmet.Doch die neue Vielfalt vermag das frühere «Vollangebot» zweier voneinander unabhängiger Zeitungsredaktionen nicht zu ersetzen. Zu den besten Zeiten deckte ein Dutzend Redaktor*innen, unterstützt von einer Vielzahl freier Journalist*innen, das lokale Kulturgeschehen breit und kontinuierlich ab. Klar: Auch damals war nicht alles perfekt und früher sowieso nicht alles besser. Aber immerhin fanden marginalere Themen eine Bühne auf einer grossen publizistischen Plattform und erreichten ein potenzielles Massenpublikum. Diese Bühne fehlt heute. Denn die Summe der Nischen allein ergibt nicht automatisch ein grösseres Ganzes. Darum braucht es weniger neue Nischen, sondern wenn schon Schritte hin zu einem neuen Resonanzraum. Daran sollten Kulturproduktion und Kulturpublizistik gleichermassen interessiert sein. Bisherige Gehversuche in diese Richtung, etwa im Zusammenhang mit der Herausgabe und der Verbreitung der Berner Kulturagenda, zeigen immerhin, dass es nicht unmöglich ist, aber auch nicht einfach.