Mattia Marchese und Lukas Lüdi
Mattia Marchese (23) und Lukas Lüdi (25) studieren Visuelle Kommunikation im sechsten Semester. Ihre Plakatserie zum imaginären Festival Admirari machte sie jüngst zu Gewinnern des «100 beste Plakate»-Wettbewerbs. Sie sprachen mit mir über ihre künstlerische Zusammenarbeit, ihr Studium an der HKB und den Druck, Trends nachzugeben.
1999 in Berlin, studiert an der HKB Literarisches Schreiben im 2. Semester
Gratulation zu euren drei Gewinnerplakaten! Ist die Serie speziell für 100 beste Plakate entstanden?
Lukas Lüdi: Wir haben sie ursprünglich für ein Corporate-Design-Modul gestaltet. Die Aufgabe war, ein Konzept für ein fiktives Festival zu entwickeln. Was die Thematik und den Ort betraf, waren wir frei. Wir warfen Darts auf die Schweizer Landkarte und landeten in Interlaken, wo wir uns dann für die Burg Unspunnen als Festival-Location entschieden haben.
Mattia Marchese: Es war schnell klar, dass unser Festival mittelalterliches Geschichtenerzählen mit Design und moderner Technologie verbinden soll. Wir haben das Festival Admirari genannt, eine Abwandlung vom lateinischen Wort für «bestaunen».
Ihr habt euch von Märchengeschichten inspirieren lassen?
LL: Ja genau! Allerdings mit einem zeitgenössischen Twist. Dazu haben wir Studierende des Literaturinstituts angefragt, uns moderne oder abgewandelte Märchentexte zuzuschicken.
MM: Wir wollten die Bilder auf den Plakaten mithilfe von künstlicher Intelligenz kreieren und gaben der AI-Software Befehle ausgehend von Stichworten aus den modernen Märchen. Zum Beispiel: «Rotkäppchen isst einen Burger.»
AI trifft auf Rotkäppchen. Wo wird dieser zeitliche Kontrast sonst noch spürbar?
MM: Die generierten Bilder sahen zu Beginn aus wie Fotografien, total flach. Um Tiefe und Textur zu erzeugen, habe ich mit Photoshop-Filtern gearbeitet. Die geprägte Optik ist eine Anspielung auf den mittelalterlichen Holzschnitt.
LL: Die Typografie spielt mit den Formen der Abbildungen, soll aber im Gesamtbild auch an den Schriftsatz einer Schreibmaschine erinnern. Gleichzeitig entsteht der Eindruck von Programmiercode. Das liegt auch an der Monospace-Schriftart, die sowohl von der Schreibmaschine wie auch für Programmiersprachen verwendet wird.
War es einfach, die gestalterische Arbeit auf zwei Personen zu verteilen?
MM: Zu Beginn unserer Zusammenarbeit hatte ich mich mit Covid angesteckt, weswegen wir uns nicht treffen konnten. Wir haben hauptsächlich über WhatsApp kommuniziert und uns Files hin- und hergeschickt.
LL: Es war spannend zu sehen, wie Mattia weitergearbeitet hat. Manchmal sind wir mit unseren Arbeitsschritten in komplett unterschiedliche Richtungen abgedriftet. Dann haben wir uns zusammengesetzt und diskutiert, wie wir die Anteile fusionieren können. Das Endresultat ist in vielerlei Hinsicht eine Patchwork-Arbeit.
Gab es auch Konflikte?
MM: Wir hatten teilweise Mühe, dem Feedback der Dozierenden gerecht zu werden. Es wurde problematisiert, dass man den Text aus weiter Entfernung nicht mehr ausmachen kann. Allerdings ist unser Anspruch an die Betrachter*innen ein anderer: Admirari ist ein Literaturfestival. Wir sind überzeugt, dass sich interessierte Leser*innen gerade durch das kryptische Schriftbild angezogen fühlen und näher kommen, um den Text zu lesen.
LL: Unsere Plakate erhalten eine Tiefe durch die unterschiedlichen Schichten und Texturen, der Text ist dabei nicht unbedingt im Vordergrund, sondern eine weitere Schicht, die das Auge entdecken kann, sobald man näher herantritt.
Der Jury hat das offenbar gefallen! Was bedeutet der Gewinn für euch?
MM: Nach dem Einreichen der Plakate trifft die Jury erstmal eine Vorauswahl. Als wir erfuhren, dass wir ausgewählt wurden, waren wir enorm zufrieden – für mich war allein das ein grosser Erfolg. Als unser Studiengangsassistent uns dann informiert hat, dass wir tatsächlich gewonnen haben, konnten wir es kaum glauben.
LL: Auch für etablierte Graphiker*innen wäre dieser Gewinn eine bedeutsame Auszeichnung, für uns als junge Studierende ist er umso motivierender. Unsere Plakate werden in einem Buch publiziert und an verschiedenen internationalen Standorten ausgestellt – das verspricht viel Sichtbarkeit.
Wie wichtig sind Wettbewerbe für euch als Kunstschaffende?
LL: Es gibt im Bereich der visuellen Kommunikation sehr viele Wettbewerbe. Studierende können aber nicht überall teilnehmen, und manchmal fallen hohe Kosten an. Dieses Mal waren wir besonders motiviert, weil die HKB die Einreichungsgebühren für alle im Studiengang übernommen hat – das schätzen wir sehr.
MM: Sie sind natürlich eine wichtige Gelegenheit, als angehende Kunstschaffende Anerkennung zu erhalten. Wettbewerbe sind auch spannend, um aktuelle Arbeiten zu sehen und neue Künstler*innen zu entdecken.
Wie blickt ihr gegen Ende des Bachelor-studiums auf euren Studiengang?
MM: Ich habe mich zu diesem Studium entschlossen, als ich gerade die EFZ-Ausbildung in Graphic Design abgeschlossen hatte. Damals hatte ich Lust, meinen Horizont zu erweitern. Das hat sich durch die freie Fächerzusammensetzung erfüllt. Ich bin mit vielen Bereichen wie Fotografie, Animation, Illustration oder sogar Keramik in Berührung gekommen.
LL: Ich habe während der Berufsmaturität das erste Mal vom Studiengang Visuelle Kommunikation gehört. Die Frage, wie man durch gestalterisches Schaffen etwas erzählt, hat mich schon damals beschäftigt. Unser Studiengang vereint Design mit soziologischen Fragen, ein Aspekt, zu dem ich mir noch mehr Inputs wünsche.
Gibt es ein Medium, das euch besonders interessiert?
LL: Im Moment arbeite ich am liebsten mit Animation und Film. Der Anwendungsbereich ist riesig, von sehr spezifischer Animation, die etwas veranschaulichen soll, bis hin zu freieren, künstlerischen Arbeiten wie einem Musikvideo. Zudem wächst dieses Feld sehr stark, auch im Bereich der Plakate wird zunehmend auf Bewegung gesetzt.
MM: Mein Lieblingsmedium ist tatsächlich das Plakat. Mir gefällt es, wenn meine Arbeit wie ein grosses Ausstellungsobjekt mitten im öffentlichen Raum steht. Ein gut designtes Plakat kann eine ganze Strasse aufwerten. Im Moment interessiert mich, wie ich meine Arbeit interaktiv gestalten kann, beispielsweise mit QR-Codes oder VR-Headsets.
Welche Vorbilder beeinflussen eure gestalterische Arbeit?
MM: In der Schweiz gestalten wir Plakate vor dem Hintergrund einer historisch bedeutsamen Plakatkultur. Persönlich versuche ich mich von dem klassischen Swiss Style abzuheben, aber er kommt irgendwie immer zu mir zurück. Ich versuche also, Aspekte daraus zu ziehen und dabei etwas Eigenes und Aktuelles zu erarbeiten.
LL: Mir ist der Swiss Style zu elegant, meine Arbeit soll roher wirken. Meine Inspirationen ändern sich ständig, je nachdem, woran ich gerade arbeite und was mich umgibt. Der digitale Bereich ist schnelllebig, Trends und Vorbilder wechseln ständig. Wir müssen immer den Überblick behalten, «on point» sein.
Nervt sie euch manchmal, die Forderung, trendy zu sein?
LL: Ja, aber man muss nicht zwingend ein Teil von den Trends sein, um Erfolg zu haben. Aber es ist schon wichtig, Trends zu erkennen und zu verstehen. Man kann Inspiration aus ihnen ziehen und dennoch etwas Eigenes gestalten. Wenn es Kunstschaffenden aber lediglich darum geht, einen Trend umzusetzen, dann verliert die Arbeit an Authentizität.
MM: Dann fehlt das Experimentierfreudige, Spielerische. Uns war es wichtig, dass man unserer Arbeit ansieht, dass wir Spass hatten.