Kunst am Bau – Kunst für die Nische?
Ein laufendes Projekt der HKB-Forschung widmet sich im Auftrag des kantonalen Amts für Grundstücke und Gebäude der Inventarisierung und Der Erhaltung von Kunstwerken in kantonalen Gebäuden. In diesem Rahmen stellt sich immer wieder die Frage, mit welcher Berechtigung Kunstwerke in die Nische «Kunst am Bau» gestellt werden und wie hilfreich diese Einordnung eigentlich ist.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am HKB Institut Materialität in Kunst und Kultur
Das Verhältnis von Kunst und Bau ist gespannt: Kommt das Kunstwerk nach dem Bauwerk? Ist die Architektur die Hauptsache, die Kunst nur Beiwerk? Oder sollte die künstlerische Gestaltung eines Baus von Anfang an und von denselben Gremien mitgeplant werden? Wären diese Gremien und Jurys fachlich überhaupt kompetent, das zu leisten? In welche ästhetische Kategorie fällt also die sogenannte «Kunst am Bau», die verlegenheitshalber oft auch einfach unter «Kunst im öffentlichen Raum» subsumiert wird? Heute kommt kaum ein öffentlicher bzw. öffentlichkeitsrelevanter Bauwettbewerb mehr ohne integriertes Kunstprojekt aus, wobei Letzteres, zumindest, was das Budget betrifft, klar zweitrangig ist. Auch planerisch erfolgt die Projektierung der für das Gebäude gedachten Kunstwerke oft erst in der letzten Etappe – die Kunst wird zur Ausstattung gezählt. Initiativen wie der Verein BAKUB (Basis Kunst und Bau) wollen das korrigieren, indem sie einen disziplinübergreifenden «Dialog zwischen Kunst und Architektur in Stadt und Kanton Bern» propagieren. Was zunächst vielleicht schwammig-selbstbezogen anmuten mag, soll handfeste politische Konsequenzen entfalten: Nicht zuletzt zielen Gruppierungen wie BAKUB darauf ab, das Prozedere im öffentlichen Beschaffungswesen hinsichtlich der Vergabe von Kunstaufträgen transparenter zu gestalten und damit die Rolle der Künstler*innen zu stärken. Implizit geht es dabei wohl auch darum, die Kunst am Bau als wenig geliebte Sparte der öffentlichen Kunstförderung wieder prestigeträchtiger zu machen.
Arbiträrer Besitz
Tatsächlich suggeriert die recht umständliche Gattungsbeschreibung «Kunst am Bau» eine untrennbare gestalterische Verbindung zwischen Bau und schmückendem (?) Kunstwerk. Die Bezugnahme auf ein Gebäude scheint dadurch werkimmanent zu sein, was bei zeitgenössischen und konzeptionell sehr durchdachten Kunstprojekten meist auch der Fall ist. Betrachtet man aber den historisch gewachsenen Bestand der Kunst am Bau (beispielsweise im Kanton Bern), ergibt sich ein anderes Bild: Der unmittelbare räumliche und motivische Bezug zwischen Werk und architektonischem Kontext ist oft nur bei Wandgemälden gegeben, die in der Regel aus der gleichen Entstehungszeit wie das Gebäude stammen (grosse Ausnahme: das Gemälde von Victor Surbek am Berner Zytglogge-Turm!) und häufig die Funktion dieses Baus inhaltlich reflektieren. Viele ältere Kunstwerke gelangten jedoch über die – gerade in der Vergangenheit – sehr verschlungenen Pfade der städtischen und der kantonalen Kunstförderung auf arbiträre Weise in den Besitz des Kantons und gehören heute aus rein verwaltungstechnischen Gründen zur «Kunst am Bau». Das macht das Ganze, speziell bei Erhaltungsfragen, spannungsreich: Aus welchen Gründen hängt, steht, liegt ein Kunstwerk in einem spezifischen Gebäude? Gehört, passt es überhaupt dorthin? Wird ein Kunstwerk, auch wenn es mobil ist und unabhängig vom baulichen Zusammenhang funktioniert, nach einer gewissen Zeit Teil des Raums, in dem es sich befindet? Muss das Werk dann in situ erhalten werden, auch wenn zum Beispiel die klimatischen Bedingungen nicht optimal sind?
Ungeklärte Provenienz
Aber auch bauzeitliche Kunstwerke werden fallweise vom Gebäude separiert, sobald über Erhaltung oder Nichterhaltung (also Abbruch, sanfter ausgedrückt als «Rückbau») entschieden wird: Was passiert mit einem kunsthistorisch bedeutsamen Wandbild, wenn das Gebäude drum herum als nicht erhaltenswert eingestuft wurde und der Abriss droht? Fügt das Kunstwerk dem architektonischen Ensemble nicht etwas hinzu, was es vielleicht doch erhaltenswürdig macht? Was also, wenn sich die Hierarchie von Architektur und Kunst plötzlich ins Gegenteil verkehrt und das Kunstwerk wichtiger wird als der es umgebende Bau – es aber materiell nicht ohne diesen erhalten werden kann? Diese Entscheidungen können nicht pauschal getroffen werden, denn die betreffenden öffentlichen Kunstsammlungen sind äusserst heterogen: So finden sich etwa im Kunst-am-Bau-Bestand des Kantons Bern Werke aus fünf Jahrhunderten, in unterschiedlichsten Erhaltungszuständen und räumlichen Umgebungen; bei vielen Objekten ist zudem weder die Autorschaft noch die Provenienz geklärt. In diesem breiten Spektrum sind einige Schätze versammelt, die aber teils nicht öffentlich zugänglich sind und daher bis auf Weiteres ein Nischendasein fristen – etwa die Mixed-Media-Installation Wolken und Gestirne (1964/1965) von Meret Oppenheim in der BFF Sulgeneckstrasse, das Glasfenster Die Tageszeiten (1943) von Augusto Giacometti im Berner Rathaus oder Samuel Buris Wandgemälde Die vier Jahreszeiten (1979) im Amthaus Biel.