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N°3/2022
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«Jeder Mensch ist ein Ökosystem»

Der Biologe Christian Kropf ist Spinnenexperte. Am Naturhistorischen Museum in Bern arbeitet Kropf als Leiter Wirbellose und Kurator Arachnologie. Maya Hottarek, freie Künstlerin und HKB-Alumna aus Biel, beschäftigt sich mit Mikroorganismen, Ökosystemen und polymorphen Materialien. Welche Spuren von Natur und Kultur gehen Wissenschaft und Kunst nach? Welche Spuren zeichnen Wissenschaft und Kunst. Die HKB-Zeitung traf Hottarek und Kropf im Tierpark Bern und am Bildschirm.

Interview

Leiter Kommunikation und Publikationen HKB und Mitglied der Kulturkommission Biel

Transkription
Fotos

Christian Pauli: Maya, wer bist du? Was machst du?
Maya Hottarek: Mein Name ist Maya Hottarek, ich bin eine visuelle Künstlerin. Ich arbeite mit Installationen, mit verschiedenen Materialien, vor allem mit Keramik, aber auch mit Musik und Film. Meine Themen gehen breit. Es geht um meine Perspektive oder mein Erleben der Welt. Ein menschliches Wesen in der Welt. Was ist die Beziehung von mir zum Planeten? Was sind die zwischenmenschlichen Beziehungen? Was existiert neben mir, was existiert mit mir? Bei der künstlerischen Arbeit gehe ich immer von meiner Existenz aus, aber nicht egozentrisch, sondern weil das meine Ausgangssituation ist. Was mich in den letzten Jahren stark beeinflusst hat, ist Lynn Margulis Gaia-Hypothese, die ich in meiner Arbeit auch eingestrickt habe.

Christian?
Christian Kropf: Mein Name ist Christian Kropf, ich komme ursprünglich aus Österreich. Ich bin Zoologe und arbeite als Kurator am Naturhistorischen Museum Bern und an der Universität Bern, wo ich Lehrveranstaltungen mache. Für die eigene Forschung habe ich leider längst nicht mehr so viel Zeit, wie es wünschenswert wäre. Mein Spezialgebiet sind Spinnentiere, die Evolution der Spinnentiere und deren funktionelle Morphologie. Wie funktionieren diese Viecher, warum sind sie so irrsinnig erfolgreich? Daneben habe ich schon immer ein sehr starkes Interesse für Philosophie gehabt, habe während meiner Dissertation auch ein Philosophiestudium an der Universität Graz gemacht und schätze an der Philosophie besonders dieses ganz andere Diskussionsklima im Vergleich in den Naturwissenschaften. Im Museum habe ich in letzter Zeit sehr viel an Ausstellungen mitgearbeitet und im Rahmen der Ausstellung Queer – Vielfalt ist unsere Natur bin ich wieder auf eines meiner alten Lieblingsthemen gestossen, und zwar auf die Frage: Was ist Natur, was ist natürlich? Gibt es so etwas wie unnatürlich?

Maya, hast du die Ausstellung gesehen?
MH: Nein, leider nicht.

Die Ausstellung ist ja ein Volltreffer. Christian, du hast gesagt, dass sich darin auch Fragen gestellt haben, was eigentlich Natürlichkeit oder Natur ist. Kannst du das ein bisschen verdeutlichen, was du mit dieser Frage meinst?
CK: Man hört ja oft, dass zum Beispiel homosexuelles Verhalten unnatürlich oder sogar pervers sei, weil es nicht der Fortpflanzung diene. Da muss man sich die Frage stellen, ob an dieser Argumentation etwas dran ist. Meine Antwort ist: Nein, denn unnatürlich gibt es gar nicht. Natürlich ist per Definition alles, was in der Natur vorkommt, und in der Natur kommen alle Spielarten sexuellen Verhaltens vor. Ein Gegenteil zu natürlich gibt es in meinen Augen gar nicht, ausser vielleicht übernatürlich, aber das ist eine ganz andere Diskussion.

«Ein Gegenteil zu natürlich gibt es gar nicht, ausser vielleicht übernatürlich.»

MH: Das sehe ich auch so. Natur wird als Gegensatz zur Kultur gesehen, aber das ist nicht ein Gegensatz, Kultur ist eher eine Art Imitation oder eine Sich-Aneignung oder ein Sich-Zurechtlegen der Natur. Ich finde es spannend, dass es unnatürlich so nicht gibt.

Christian, du bist jetzt nicht vor Ort. Wir sind im Tierpark in irgendeinem Waldstück. Wir sehen vor uns ein Gehege, welches im Moment leer ist, aber darin scheinen sich normalerweise Tiere aufzuhalten.Was sehen wir hier? Ich bin hin und her gerissen, ob ich das als Natur oder als Kultur bezeichnen möchte oder müsste, wenn ich gefragt würde. Maya, wie siehst du das?
MH: Die ganze Schweiz ist ein riesengrosser Park. Alles ist verzeichnet, für jeden Baum gibt es ein Kreuz, alles ist vermessen, alles ist kontrolliert. Fast jeder Wald ist geforstet, es gibt keine wilde Natur mehr in der Schweiz. Das hier im Tierpark ist für mich keine Natur, das ist Kultur. Klar sind es Pflanzen und Tiere, aber alles ist kultiviert, damit es für uns erlebbar ist.

CK: Der Tierpark ist für mich auch Kultur. Ich glaube aber, dass diese Trennung zwischen Natur und Kultur oder zwischen Kultur und Mensch nicht aufrechtzuerhalten ist. Wenn wir uns eine wunderschöne Wiese mit Blumen anschauen, dann haben die meisten Menschen das Gefühl, das ist Natur. Aber diese Wiese gäbe es zumindest unterhalb der Baumgrenze ohne den Menschen nicht. Alle unsere Wiesen sind künstliche Lebensräume, die direkt oder indirekt durch die bäuerliche Tätigkeit, entweder durch Mähen oder durch Beweiden entstanden sind. Der Mensch ist zoologisch gesehen ein Tier. Allerdings ein sehr spezielles, nämlich ein Kulturwesen. Der Mensch ist beides: Er ist Naturwesen, er ist ein biologisches Wesen und ebenso wichtig oder noch wichtiger ist er Kulturwesen – kein Gegensatz, sondern die Natur des Menschen, sich nicht natürlich zu benehmen. Es ist die Natur des Menschen, sich im Rahmen seiner Kultur anders zu benehmen als ein Wesen, das nicht zur Kulturbildung fähig ist.

«Der Mensch ist ein Naturwesen, und noch wichtiger:
er ist ein Kulturwesen.»

Hier besteht eine Einigkeit, dass Kultur und Natur nicht auseinanderzuhalten sind und nicht als separate Welten geführt werden. Trotzdem scheint uns dieses Gegensatzpaar oder die Abgrenzung zu beschäftigen: Was ist Natur und was ist vom Menschen geschaffen? Warum treibt diese Frage einen so um?
MH: Weil wir sehen, was wir für einen riesigen Einfluss auf den Planeten bzw. auf die Oberfläche des Planeten haben. Andererseits ist es auch problematisch, wie wir uns als wichtigste Spezies immer im Zentrum des Geschehens sehen. Es ist halt unsere Natur, denn die meisten Lebewesen sehen wir gar nicht, wir können sie nicht wirklich wahrnehmen. Es ist sehr problematisch, wie sehr wir die Erdoberfläche kultiviert, also verändert haben. Ich frage mich auf der anderen Seite aber, ob wir wirklich so wichtig sind, wie wir meinen. Ich weiss es nicht.

CK: Für uns sind wir wichtig, für den Planeten aber sind wir eine Krankheit. Maya, weil du vorhin die Gaia-Hypothese erwähnt hast: Ja, Gaia packt gerade ihr Immunsystem aus. Ich denke, dass wir uns so wichtig nehmen, geht auf die biblischen Schöpfungsmythen zurück, dass wir uns die Erde untertan machen sollen, dass wir die Krone der Schöpfung sind. Das sind Mythen und sie sind überhaupt nicht gerechtfertigt.

Ich möchte den Bogen zur gegenwärtigen Situation schlagen, zur Klimadiskussion. Die Krone der Schöpfung ist daran, die Welt vielleicht nicht zu zerstören, aber massiv zu verändern, und das Problem ist nicht gelöst, wenn wir sagen, der Mensch ist gar nicht so bedeutend oder gar nicht so interessant.
CK: Wir Menschen sind hochsoziale Wesen und Menschen sind wichtig – aber ich frage mich, ob wir für den Planeten so wahnsinnig wichtig sind. Es ist richtig, dass wir mit Abstand der wichtigste ökologische Faktor auf der Erde geworden sind. Aber nehmen wir einmal an, es geht so weiter mit der Klimaveränderung, oder dass wir uns mit Atomkriegen selbst in die Luft blasen. Eine Million Jahre später merkst du nichts mehr davon, da ist das wieder ein blühender Planet und es gibt eine interessante Fossilschicht aufgrund der menschlichen Knochen. So gesehen sind wir eine sehr spezielle Art auf diesem Planeten, aber das entbindet uns nicht von der Verantwortung. Denn ich glaube, wir sind fähig zu reflektieren, wir sind fähig, in die Zukunft zu projizieren mit dem, was wir tun, deshalb haben wir Verantwortung – im Unterschied zu allen anderen Tieren auf dem Planeten. Das macht uns sehr speziell und das macht uns auch sehr interessant. Ich finde den Menschen ungeheuer interessant, aber ich glaube, die Erde überlebt uns ohne Probleme – die hat schon ganz andere Dinge überlebt.

Die Welt geht nach einer Klimaveränderung oder einem Atomkrieg weiter – halt ohne Menschen und viele andere Spezies. Wie siehst du das als Künstlerin, wenn es um die Verantwortung der Spezies Mensch auf der Welt geht?
MH: Wir sind als einzige Spezies zur Verantwortung zu ziehen, weil wir das Bewusstsein über unser Handeln haben. Das ist auch Thema in meiner Arbeit wie auch in meinem privaten Leben. Meine privaten Themen sind auch die Themen in meiner Arbeit, in meiner Kunstpraxis. In meinen letzten Arbeiten geht es um Mikroorganismen und Kleinstlebewesen, um ein Bewusstsein, dass alles verbunden ist und wie sehr wir abhängig sind von Kleinstlebewesen. Da thematisiere ich Oberflächen und auch den Berührungspunkt von unserer humanen Oberfläche, also der Hautoberfläche zur Natur. Alles, was wir berühren. Zwischenmenschlich, zwischen der Spezies. Wenn die Hand den Waldboden oder eine Stange im Bus berührt, was bedeutet dieser Austausch? Das war schon vor der Covid-Pandemie ein grosses Interesse und wurde danach umso spannender, wo wir versuchten, alles zu desinfizieren, was ja teilweise nur teilweise Sinn machte.

CK: Maya, du hast ein ganz faszinierendes Fenster angesprochen, unsere Verbundenheit und unsere Abhängigkeit von Mikroorganismen. Wir würden innert kürzester Zeit sterben, wenn wir die Mikroorganismen in unserem Körper alle abtöten würden. Jeder einzelne von uns ist eigentlich kein Individuum, sondern wir sind ein Ökosystem. Nur ein Prozent der Zellen eines Menschen sind menschliche Zellen. Zumindest über 90 Prozent sind Mikrobenzellen, und die brauchen wir. Einige machen uns krank, einige töten uns, aber andere brauchen wir unbedingt, sonst könnten wir nicht leben. Jedes Kind weiss, dass Fremd-Eiweiss vom Immunsystem des Körper abgestossen wird. Warum können wir es dann verdauen? Das können wir nur dank Bakterien, die in unserem Darm das Immunsystem in den Zellen blockieren, sonst könnten wir kein Eiweiss aufnehmen. Jeder Mensch ist ein Ökosystem. Diesen Gedanken finde ich wahnsinnig spannend. Ich habe mir im Internet deine Arbeiten angeschaut. Toll! Ich war begeistert. Das matcht mit dem, was ich von einer ganz anderen Seite auch sehr spannend finde.

Wir haben über Mikroorganismen und ökologische Zusammenhänge gesprochen. Kannst du eine deiner Werkgruppen beschreiben, die mit diesen Themen im Zusammenhang steht?
MH: Am offensichtlichsten ist es bei der Werkgruppe Autopoiesis. Autopoiesis heisst ein sich selbstschliessendes System. Jedes gut funktionierende Ökosystem ist eigentlich eine Autopoiesis. Es versorgt sich selbst, es ist ein Kreislauf. Das war eine Werkgruppe mit drei hängenden keramischen Objekten und drei Bodenplatten – eine Kollaboration dem Komponisten Julian Zehnder. Auf den Platten gab es kleine, elektronische Käfer, die mit Vibrationen über ein Kontaktmikrofon den Sound erzeugten. Der Sound beeinflusste die Atmosphäre, was wiederum die Leute beeinflusste, die durch das Laufen auch wieder Vibrationen erzeugten, so hat es sich immer wieder neu gespiesen. Das System hat sich in dem Sinn geschlossen, dass der Sound immer wieder erzeugt wurde durch die Leute, die schon vom Sound beeinflusst wurden. Die Keramiken sahen aus wie Objekte, die ein bisschen aus dem Ursumpf gezogen wurden. Oberflächen mit Fadenwürmern, Bakterienansammlungen, Pilzbewuchs – ganz klar auch von der Natur inspiriert.

CK: Ich bin in den 80er-Jahren erstmals auf Autopoiesis gestossen, als die Systemtheorie angesagt war. Was ich an autopoietischen Systemen spannend finde ist, dass sich die auch entwickeln, ohne dass man etwas dazu tut. Die verändern sich ja, die können aus Einfachem Komplexes aufbauen. Das Einzige, was es braucht, ist eine Energiequelle, aber sonst erhalten und entwickeln die sich selbst. Auch unsere Erde ist so ein System. Wenn man sich anschaut, wie sich die Erde in den letzten 2.8 Milliarden Jahren entwickelt hat, ist das unglaublich.

Maya, deine Kunstwerke stellen – salopp ausgedrückt – die Frage: Ist es Kunst oder Natur? Sie spielen mit den Grenzen oder mit einer Empfindung, die man nicht ganz klar zuordnen kann, ob etwas organisch ist, ob es von Menschenhand geschaffen ist oder ob es gewachsen ist. Arbeiten, Kunst, die sich genau mit solchen Grenzerfahrungen oder Grenzsituationen zwischen Kultur und Natur beschäftigen, sind derzeit ein sehr grosses Thema.
MH: Meine Werke sind Kunst. Die Inspiration kommt von Mikroorganismen. Ich versuche, sie zu imitieren. Die Orte aber, wo die Kunst gezeigt wird, sind oft visuell sterile Orte. Ich habe meine Werke auch schon im Wald gezeigt, um zu sehen, wie das wirkt. Damit der Mensch die Objekte, die die Natur imitierten, als etwas Fremdes sieht, habe ich eine nächste Werkgruppe erschaffen, die Alltagsgegenstände mit diesen Oberflächen mischt. Eine Skulptur war ein Waschbecken, ein Objekt, das wir jeden Tag benutzen, um unsere Hände zu waschen. Auf diesen Lavabooberflächen gab es Pilze, Pilzkörper, Pilz in Flechtenform, Mikroorganismen, Würmer, Bakterien, damit der Mensch merkt, dass es überall ist, egal wie sehr man putzt. Es gab auch eine Figur, wo Pilze von den Füssen wuchsen. Oder auch Hände mit einer Art Oberfläche mit Lebewesen drauf. Diese Werkgruppe heisst Petri Dish Dream. Eine Petrischale ist ein kleines Gefäss, das man braucht, um Kulturen zu untersuchen oder zu züchten. Und die keramische Oberfläche war davon inspiriert.

Christian, darf ich dich um eine Reaktion bitten auf das, was uns Maya erzählt hat? Vielleicht kannst du eine Arbeit von dir beschreiben, eine Forschung, die dir einfällt, wenn du hörst, was Maya erzählt.
CK: Meine Forschung ist viel profaner. Ich beschäftige mich mit hochkomplexen Systemen, es geht gar nicht anders – wissenschaftliche Beschäftigung mit der Rolle einer Tiergruppe im Ökosystem. Und in letzter Zeit auch damit, wie Spinnen und Weberknechte auf den Klimawandel reagieren.

Was ist der Unterschied zwischen Spinnen und Weberknechten?
CK: Beides sind Spinnentiere, sie sind aber unterschiedlich gebaut. Spinnen haben eine Wespentaille und Giftdrüsen in ihren Kieferklauen, sie lähmen ihre Beute mit Gift, Weberknechte haben das nicht. Spinnen können Seidenfäden verwenden für alles Mögliche, für Fangnetze, um damit durch die Luft zu fliegen, den Partner zu fesseln usw. Weberknechte, die man in der Schweiz Zimmermann nennt, haben kein Spinnvermögen. Weberknechte reagieren sehr empfindlich auf den Klimawandel. In einem Forschungsprojekt im schweizerischen Nationalpark schauen wir uns die Höhenverbreitung von alpinen Weberknechten an, denn die müssen wegen der Erderwärmung immer weiter nach oben wandern, weil es ihnen hier unten zu warm wird. Wie lange geht das noch gut? Gibt es Ersatzlebensräume? In der Römerzeit beispielsweise war es wärmer als heute und die sind damals auc h nicht ausgestorben. Die müssen das irgendwie überlebt haben. Die Frage ist – und das gilt nicht nur für den Weberknecht, sondern für viele wirbellose Tiere: Wie kann man herausfinden, wo diese Tiere Hitzeperioden überdauern, und kann man ihnen dabei von menschlicher Seite aushelfen, um den klimabedingten Biodiversitätsverlust möglichst klein zu halten?

Wie bei den Fischen?
CK: Bei den Fischen ist es noch viel komplizierter. Fische konnten früher in die Seitenbäche in den Wäldern aufsteigen und Wärmeperioden so überdauern, und heute ist das kleinste Bächlein mit einem Kleinkraftwerk versperrt und die Fische bleiben einfach unten im Fluss und verenden dort in ihrer
warmen Suppe.

Und wie reagieren die Spinnen?
CK: Bei den Spinnen haben wir keine guten Daten. Es gibt Arten, die sehr empfindlich auf Erwärmung reagieren, andere halten es viel besser aus. Bei den Spinnen sieht man eine Verschiebung in unserer Fauna. Und zwar kommen aus dem Süden sogenannte Klimaprofiteure zu uns, die früher entweder überhaupt nicht da oder selten waren. Die gab es nur an den heissesten Standorten und heute sind die ganz kommun bei uns.

Kannst du ein Beispiel nennen?
CK: Die Wespenspinne zum Beispiel, diese gelbschwarz gebänderte, grosse Radnetzspinne, die es heute sehr häufig in Bern gibt, war in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts eine absolute Rarität. Im Mittelmeerraum gab es sie überall und heute kommt sie sogar in sämtlichen skandinavischen Ländern vor, die hat sich enorm ausgebreitet.

Maya, was sagst du zur Veränderung der Diversität, was wir jetzt anschaulich an einem Beispiel gehört haben?
MH: Ich habe gelesen, dass die Schwarze Witwe, eine giftige Spinne, die eher in wärmeren Ländern zu Hause ist, jetzt auch ins Tessin gekommen ist.

Da möchte ich gern anknüpfen, eine spontane Assoziation. Die schwarze Spinne von Gotthelf – Tiere sind ja auch kulturell belegt. Was verändert sich in dieser Kategorisierung von Tieren? Verändert sich konkret bei Spinnen unsere Wahrnehmung, unsere Einordnung von Spinnen?
CK: Ja, langsam. Spinnen sind keine Sympathieträger. Viel massiver ist die Veränderung zum Beispiel bei den grossen Raubsäugetieren. Die waren frühe der absolute Feind, die mussten weg – und heute gibt es eine breite Sympathiewelle für Bär, Luchs und Wolf. Das hat sich massiv geändert und dafür ist sicher das bessere, gesteigerte Bewusstsein für den Wert der Biodiversität verantwortlich. Bei den Spinnen ist das weniger der Fall. Die meisten Menschen finden Spinnen unappetitlich oder angsteinflössend. Über die Ursachen weiss man eigentlich nicht genau Bescheid, das ist sehr interessant, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Was hast du für ein Verhältnis zu Spinnen?
MH: Mein erster Vortrag in der Primarschule war über Spinnen und ich war so fasziniert, dass der zwei Stunden dauerte. Ich fand es als Kind sehr faszinierend. Bei mir zu Hause ist alles voll Spinnen, denn ich lasse sie koexistierieren mit mir. Ich weiss, dass sie Moskitos essen, das ist praktisch, aber eine Spinne in meinem Bett finde ich auch nicht so toll. Gemischte Gefühle, aber eigentlich sympathisiere ich mit Spinnen.

«Bei mir zu Hause ist alles voll Spinnen, denn ich lasse sie koexistieren mit mir.»

Christian, wie hast du es mit Spinnen bei dir zu Hause?
CK: Ich lasse sie in Ruhe, habe aber auch keine im Bett. Ich habe auch sonst keine lebenden Haustiere. Diese Vogelspinnenfreaks, die Hunderte von Vogelspinnen halten und sich dabei wahnsinnig männlich vorkommen, waren mir immer ein bisschen suspekt.