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N°4/2024
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«Improvisation ist im Dokumentarfilm essenziell»

Dr. Laura Coppens, Studienleiterin CAS Dokumentarfilm, Filmemacherin und Produzentin, über Ordnung und Improvisation in der Filmproduktion.

Wie verhalten sich Ordnung im Kopf und Ordnung im Dokumentarfilm angesichts der Tatsache, dass die Realität unvorhersehbar ist?
Laura Coppens: Im Dokumentarfilm bietet das Dossier oder die Drehvorlage eine Grundstruktur, bleibt aber flexibel, um die Realität authentisch einzufangen. Während die «Ordnung im Kopf» den Rahmen für Thema und Ziel setzt, bringt die reale Welt oft spontane und unerwartete Elemente mit sich, die die filmische Ordnung beeinflussen. Die Kunst im Dokumentarfilm besteht darin, die Balance zwischen Planung und Unvorhersehbarkeit zu finden, um die Realität wahrhaftig abzubilden und zugleich eine kohärente Erzählung zu schaffen.

Wie wichtig ist Improvisation und wie weit kann man vom Produktionsdossier abweichen? Fällt es dir schwer, wenn sich deine Vorstellungen davon, wie sich eine Geschichte entwickeln soll, nicht einlösen?
Improvisation ist im Dokumentarfilm essenziell, da sie ermöglicht, auf das Unvorhersehbare der Realität zu reagieren. Das Dossier bietet zwar einen wichtigen Rahmen – vor allem für Budget, Ressourcen und Drehplanung –, doch zu viel Festhalten daran kann das Potenzial für spannende Geschichten einschränken. Die Herausforderung besteht darin, den geplanten Rahmen so zu erweitern, dass er Platz für Unvorhersehbares lässt, ohne das Projekt unüberschaubar werden zu lassen. Am Anfang ist es mir schwergefallen, mich von meiner Vorstellung davon, wie ich einen Film umsetzen möchte, zu lösen. Mittlerweile rechne ich aber bei der Entwicklung eines Projekts damit, dass es sich um 180 Grad verändern kann. Ich habe gelernt, dass Abweichungen oft zu wertvollen Perspektiven führen. Ein offenes Mindset hilft mir dabei, das Unerwartete als kreative Bereicherung zu sehen und dadurch neue, vielleicht sogar stärkere narrative Wege zu entdecken, die die Geschichte authentischer machen.

Foto: Ellen O’Connell

Wie erkennst du, ob ein Thema das Potenzial für einen Dokumentarfilm hat?
Ich erkenne das Potenzial eines Themas für einen Dokumentarfilm, wenn es emotional packt, komplex ist sowie relevante Fragen aufwirft. Wenn das Thema Entwicklungspotenzial verspricht, sehe ich gute Chancen für einen erfolgreichen Film. Das ist meine Perspektive als Produzentin. Als Autorin und Regisseurin wähle ich meine Projekte danach aus, ob das Thema bei mir eine persönliche Resonanz auslöst und eine Geschichte erzählt, die ich unbedingt teilen möchte. Ich befrage mich dann zuerst selbst, ob ich mir vorstellen kann, mich intensiv die nächsten drei bis fünf Jahre mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich bin ausgebildete Anthropologin mit einem Schwerpunkt in der Visuellen Anthropologie. Über mein Fach bin ich mehr oder weniger organisch als Quereinsteigerin zum Film gekommen. Das Recherchieren und die Beantwortung von gesellschaftsrelevanten Fragen mithilfe von audiovisuellen Medien gehören zu meinem «business as usual». Oft bin ich über die Wissenschaft auf interessante Fragen gestossen, die ich dann filmisch untersuchen wollte. Bei meinem aktuellen Film Sedimente war es allerdings ganz anders. Hier hat mich ein sehr privates Anliegen dazu gebracht, einen Film mit meinem Grossvater zu machen. Ich hatte das Bedürfnis, mich mit meiner eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen und den Verstrickungen meiner Vorfahren in den beiden deutschen Diktaturen nachzuspüren.

Filmproduktion, aber auch Filmkonsumation haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Wie bereitest du die Teilnehmenden deines CAS Dokumentarfilm auf diese neuen Herausforderungen und Chancen vor?
Im CAS Dokumentarfilm möchte ich besonderen Fokus auf die neuen Entwicklungen in der Auswertungslandschaft und die Rolle von KI legen. Wir beschäftigen uns mit traditionellen Auswertungskanälen, aber auch mit den Chancen, die Streaming-Plattformen und soziale Medien bieten, sowie mit Strategien, um Dokumentarfilme gezielt für diese digitalen Kanäle aufzubereiten und zu distribuieren. Zudem erkunden wir den Einsatz von KI in verschiedenen Phasen der Produktion – von der Ideenfindung über automatisierte Schnitthilfen bis zur zielgerichteten Vermarktung – und wie sie kreative Prozesse unterstützt.

Dr. Laura Coppens ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Medienanthropologie an der Universität Bern. Ihr Ph.D.-Film Children of Srikandi (2012) wurde auf der Berlinale uraufgeführt und lief auf zahlreichen internationalen Filmfestivals. Taste of Hope (2019) war ihr erster Dokumentarfilm in eigener Regie. Er wurde am Festival Visions du Réel in Nyon uraufgeführt und gewann den Prix ZONTA sowie den SSA/SUISSIMAGE Jury Award für den innovativsten Schweizer Dokumentarfilm. 2025 erscheint ihr neuer Film Sedimente.

 

Tools, die Kreativschaffenden das Leben erleichtern

«Ordnung» – so weiss man von dem deutschen Schriftsteller Heinrich Böll – «ist das halbe Leben.» An diese Erkenntnis anschliessend fragt Böll: «Woraus mag die andere Hälfte bestehen?» Damit diese nicht darin besteht, Möglichkeiten zu suchen, besagte Ordnung herzustellen, hat die Alumn*ae-Netzwerkorganisation HKB Encore Tools zusammengestellt, die dabei helfen, den Berufsalltag zu erleichtern.

Zeitliche Ordnung
Clockify clockify.me
Funktionen: Clockify ist ein Zeiterfassungstool, mit dem sich die auf unterschiedlichen Projekte angewandten Stunden nachverfolgen und visuell darstellen lassen. Weitere Funktionen beinhalten Budgetierung, Projekt- und Aufgabenmanagement sowie Terminplanung. Vorteile: einfache Nutzung (auch im Team), übersichtliche Darstellung, kann offline genutzt werden
Nachteile: Einschränkungen bei der nachträglichen Änderung von Aufgaben/Projekten
Zielgruppe: Selbstständige, Freischaffende, Personen in Jobsharing-Modellen
Kostenpunkt: Basisversion kostenfrei,
kostenpflichtige Versionen mit erweiterten Funktionen

Finanzielle Ordnung
YNAB (You need a budget) ynab.com
Funktionen: YNAB ist eine Budgetierungsapp. Ausgaben werden kategorisiert und lassen
sich so einfach nachverfolgen und kontrollieren.
Sparziele können festgelegt werden.
Vorteile: gemeinschaftliche Nutzung möglich
Nachteile: erfordert eine Einarbeitungszeit, um das volle Potenzial nutzen zu können
Zielgruppe: alle, die einen Überblick über ihre Finanzen behalten möchten
Kostenpunkt: kostenlose Testversion, kostenpflichtige Versionen mit erweiterten Funktionen

Gedankliche Ordnung
MindMeister mindmeister.com
Funktionen: MindMeister ist ein Mindmapping-Tool, mit dem man Ideen visuell ordnen und präsentieren kann
Vorteile: Zugriff auf Mindmaps-Vorlagen, Zusammenarbeit in Echtzeit
Nachteile: Einige Funktionen sind nur offline nutzbar, auf mobilen Endgeräten kann die Darstellung komplexerer Mindmaps schnell unübersichtlich werden
Zielgruppe: für alle, die assoziativ denken und gemeinsam an einer Idee arbeiten
Kostenpunkt: Basisversion kostenfrei, kostenpflichtige Versionen mit erweiterten Funktionen

Arbeitsaufteilung-Ordnung
Equaly joinequaly.com
Funktionen: Equaly ist eine browserbasierte App, mit der sich Care-Aufgaben fair
verteilen lassen. Aufgaben im Haushalt und Kinderbetreuung lassen sich klar zuweisen. Lösungsansätze für Problemfelder werden in Selbstcoachings und Livesessions vermittelt
Vorteile: kann an individuelle Bedürfnisse und Situationen angepasst werden
Nachteile: kostenintensiv, App muss regelmässig und konsequent genutzt werden
Zielgruppe: Menschen, die eine gerechtere Aufteilung von Care-Arbeit und damit eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie anstreben
Kostenpunkt: Monatszugang EUR 29.–/Monat, Jahreszugang EUR 13.25/Monat