Im Licht der Höhe
ist Künstler und Professor an der ZHdK. 2003 – 2012 gründete und leitete er an der HKB das Y Institut in Lehre und Forschung. Dombois vermietet im Hochhaus Fellergut in Bern eine restaurierte Wohnung.
Eine Ortskundige und ein Ortsunkundiger spinnen einen Gedanken. Folgt man dem Lauf des Stadtbachs stromaufwärts, geht es durch Röhren und gedohlte Kanäle zu einem Wasserschloss, dessen Umkränzung aus dem Stadtbach gespeist wird. Hier blühen Wasserlilien, die Sonne scheint durch alte Bäume; es werden Kaffee und Roast Beef serviert. Zwei Türme stehen um diesen Ort: Der kleinere ist aus dem 9. Jahrhundert und wurde dereinst von der Burgunderkönigin Bertha bewohnt, die ihre Karpfen im Weyerli aufzog. Der grössere Turm ist von 1972 und wurde von Hans und Gret Reinhardt erdacht, die sich zeitlebens für den sozialen Wohnungsbau und die soziale Durchmischung einsetzten. Im kleineren Turm wohnt heute niemand mehr, im grösseren rund 300 Menschen. 144 Wohnungen auf 20 Stockwerken, unterschiedliche Grössen und Grundrisse, jeder dritte Stock führt einen Gang. Dieser Bienenkorb menschlichen Wohnens wärmt sich grösstenteils selbst, mit Grüessech begegnet man sich im Fahrstuhl. Die Zugänge zu den Wohnungen sind breit, es gibt viel Platz für die Begegnung. Nach der Eingangstür führt eine Treppe rechts hinab in die Wohnetage. Es fühlt sich an wie der Bauch eines Ufos. Es ist ruhig hier. Die Räume leuchten hell. Der Balkon schaut nach Westen, wo das Wetter herkommt. Ein Tonbandgerät spielt TSOP – The Sound of Philadelphia, die Musik des schwarzen Aufbruchs von 1974. Love is the Message, Mother Father Sister Brother. Unten in den Wipfeln der Bäume bauen Vögel Nester. Die Gleise singen unter den Rädern der Züge, dahinter das Gebäude der HKB. Der Stern von Bethlehem spielt sein Carillon. Das Quartier ist international, die kollektiven Grünflächen zwischen den Häusern weiträumig. Das sieht man gut von hier oben aus dem 14. Stock. Hier oben, wo die Betten in Richtung Osten stehen. Vorhänge aus weissem Spinnakertuch laden zum Studium des Sonnenaufgangs ein: zunächst der Übergang von Schwarz nach Weiss durch alle Farben. Und dann treffen die Strahlen vom Horizont auf die gegenüberliegende Wand. Die Ortskundige und der Ortsunkundige fahren mit dem Fahrstuhl zur gemeinsamen Dachterrasse im 20. Stock. Sie wollen ihre Körper in der Sonne bräunen. Es gibt viele Schichten von Bedeutung. Über ihren Köpfen ziehen Wolken, und ihr Gedanke verweht im Wind.