«Für uns war es sehr wichtig, Mitarbeitende zu finden, die unsere Leidenschaft teilen.»
«In diesem ganzen Prozess sammeln wir jeden Tag so viele neue Erfahrungen, dass wir als Personen und Berufsleute laufend wachsen – unabhängig von Erfolg oder Misserfolg», sagt Michail Kyriazopoulos, Gründer von NaturLoop. Das Start-up stellt aus den Ernteresten der Kokosnussproduktion nachhaltiges und günstiges Baumaterial her.
Herr Kyriazopoulos, was ist die Geschäftsidee Ihres Start-ups?
Wir stellen aus Fasern der Kokosnussschalen nachhaltige und günstige Faserplatten her. Daraus entstehen dann Möbel und Platten für Wand- und Deckenverkleidungen. Unser Hauptmarkt für das Cocoboard wird auf den Philippinen liegen, aber auch Europa könnte für uns interessant sein.
Wie kam es dazu?
Seit den 1960er-Jahren wurden mehr als die Hälfte der weltweiten Tropenwälder zerstört. Um die verbleibenden natürlichen Ressourcen zu schützen, werden unter anderem Abholzungsverbote erlassen. Die begrenzte Verfügbarkeit von Holz erhöht nicht nur die Preise, sondern macht viele Länder auch stark vom Import von Holzwerkstoffen abhängig. Für die Philippinen ist das besonders problematisch: Das Land umfasst mehr als 7000 Inseln. Demgegenüber produzieren Indonesien, die Philippinen und Indien über 75 Prozent des weltweiten Bedarfs an Kokosnüssen. Insgesamt fallen dabei jährlich 21 Millionen Tonnen Kokosnussschalen an, alleine 5 Millionen auf den Philippinen. Der grösste Teil davon wird verbrannt oder deponiert, was eine erhebliche Verschwendung von natürlichen Ressourcen ist.
Wie wurden Sie auf das Problem aufmerksam?
2014 gelangte die gemeinnützige Hilti-Stiftung ans Institut für Werkstoffe und Holztechnologie (IWH) der Berner Fachhochschule (BFH) mit der Anfrage, ob es nicht möglich sei, aus diesen Abfällen günstige und nachhaltige Baumaterialien herzustellen. In dieser Zeit absolvierte ich dort den Master in Wood Technology. Ich wurde also eher zufällig auf das Projekt aufmerksam.
Wie wurde das Problem gelöst?
Für die Herstellung des Cocoboard werden die Fasern der Kokosnussschalen pulverisiert und anschliessend erhitzt und gepresst. Beigegeben wird zudem ein ebenfalls an der BFH entwickelter, natürlicher Klebstoff. Er bindet und festigt das Material und reduziert gleichzeitig den Energieverbrauch für Pressung und Erhitzung. Dieser Klebstoff basiert auf Tanninen, die durch einfache Heisswasserextraktion aus Holz gewonnen werden. Anders als herkömmliche Klebstoffe enthält er also kein gesundheitsschädigendes Formaldehyd. Das Cocoboard hat mechanische und physikalische Eigenschaften, die mit jenen von mitteldichten Faserplatten (MDF) vergleichbar sind.
Wie wurde daraus eine Business-Idee, die 2018 zur Gründung von NaturLoop führte?
Entscheidend waren nicht in erster Linie wirtschaftliche Überlegungen, sondern der Umstand, dass solche Platten auf den Philippinen wirklich gebraucht werden, sie also einem grossen Bedürfnis entsprechen. Zu Beginn fanden sich keine privaten Investoren, um die Produkte weiterzuentwickeln. Ohne die Gelder von Innosuisse und des Schweizerischen Nationalfonds hätten wir das nicht geschafft.
Haben Sie oft gezweifelt?
Ja, immer wieder, das gehört dazu. Für ein Start-up gibt es viele Hindernisse. Die Produkte müssen im Labor entwickelt werden. Danach folgt der wirklich grosse Schritt: sie aus dem Labor auf den Markt zu bringen. Es braucht also insgesamt viel Know-how, viel Geld, viel Ausdauer.
Wie reagiert man am besten auf Zweifel?
Mit einem guten Team innerhalb des Start-ups und guten Berater*innen darum herum. So kann man schwierige Entscheidungen gut vorbereiten.
Welche Unterstützung war in der Start-up-Phase besonders wichtig?
Von Innosuisse bekamen wir nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch aufschlussreiche Beratung bei technischen, finanziellen oder geschäftlichen Fragen. Auch die Seminare von Venturelab sind gut: Dort erfährt man zum Beispiel, wie man am besten Investoren für sein Projekt gewinnt. Die wichtigste Unterstützung leistete aber die BFH: Insbesondere die hochwertige Infrastruktur der BFH-Labors war und ist für uns von grossem Nutzen. Zudem profitieren wir vom technischen Know-how der BFH-Mitarbeitenden. Und auch bei der Übertragung des Patents an NaturLoop war die Hochschule sehr kulant.
Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit als Start-up-Gründer besonders?
Natürlich ist es sehr erfüllend, wenn die Resultate aus dem Labor schliesslich produziert und verkauft werden können. Aber in diesem ganzen Prozess sammeln wir jeden Tag auch so viele neue Erfahrungen und lernen so viel Neues dazu, dass wir als Personen und Berufsleute laufend wachsen – unabhängig von Erfolg oder Misserfolg. Das ist für mich genauso faszinierend.
Auf was müssen Gründer*innen besonders achten?
Für mich und meinen Co-Gründer Daniel Dinizo war es sehr wichtig, Mitarbeitende zu finden, die unsere Leidenschaft und Motivation für das Projekt teilen. Das ist gar nicht so einfach, aber absolut unerlässlich. Im Moment sind wir insgesamt zu fünft. Ausserdem ist es sehr wichtig, sich neben der Arbeit für das eigene Unternehmen immer auch über die neusten technischen und Business-Trends und -Innovationen auf dem Laufenden zu halten.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass alles aufgeht wie geplant. Im Moment führen wir eine Reihe von industriellen Versuchen durch, um die Produktionstechnologie zu finalisieren. 2022 wollen wir die Rohmaterialbeschaffung sicherstellen und die entsprechenden Logistikprozesse vor Ort definieren. Ende 2022 soll der erste Produktionsstandort auf den Philippinen in Betrieb genommen werden. Wir gehen von einem jährlichen Produktionsvolumen von 30 000 m3 und einem Jahresumsatz von 12 bis 15 Millionen Franken aus. Auf längere Sicht sind weitere Produktionsstandorte geplant. Im Moment wünsche ich mir aber vor allem, dass der Corona-Ausnahmezustand endlich zu Ende geht und wir wieder zum normalen Alltag zurückkehren können. Allein schon, dass wir wieder reisen und fliegen können, ist für unser Start-up sehr wichtig.