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N°3/2021
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Florian Jakober

Nachhaltige Einkaufskultur fördern: Im Rahmen seines Masterstudiums Design in der Vertiefung Design Entrepreneurship entwickelt Florian Jakober ein Starterkit, mit dem man in der eigenen Nachbarschaft ohne grossen Aufwand eine Foodcoop starten kann.   

Bevor Florian Jakober von sich und seinem Masterprojekt erzählt, spricht er erst lange über die grundlegenden Fragen. Er erklärt, weshalb er als Designer ein besseres Verständnis für Wertschöpfungsketten hat als ein Managementstudienabgänger. Er spricht von seiner Überzeugung, dass eine nachhaltige Wirtschaft nur über Negativwachstum erreichbar ist. Und irgendwann beginnt er dann doch noch von sich zu erzählen.  Jakober schliesst 2009 an der ZHdK seinen Bachelor in Grafikdesign ab und gründet mit einem Freund aus dem Studium ein Grafikdesignstudio in Zürich. 2011 beginnt er einen Master in Grafikdesign an der HKB, bricht jedoch wieder ab, um sich auf die Projekte für seine Kunden zu konzentrieren. Er weiss aber: Sollte er ein sinnvolles Projekt finden, das ihn wirklich packt, schliesst er seinen Master irgendwann ab.  An die HKB kommt Jakober zunächst als Dozent zurück. Im neuen MA Design in der Vertiefung Design Entrepreneurship gibt er ab 2015 in einem Basismodul seine Erfahrung aus der Praxis weiter, zeigt etwa, wie man ein Budget aufstellt oder Stundensätze berechnet. Bei seiner Arbeit im Studio hat der unternehmerische Aspekt über die Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen. Doch erst mit der Dozententätigkeit beginnt bei dem gebürtigen Innerschweizer eine vertiefte Reflexion darüber, was eigentlich nachhaltiges und sozial verträgliches Unternehmertum bedeutet. «Es kann nicht darum gehen, noch ein weiteres nachhaltig produziertes Produkt auf den Markt zu bringen», ist Jakober überzeugt. Er will vielmehr neue Organisationsmodelle für eine kleinräumigere Bedarfswirtschaft finden.  

Brot verteilen im Quartier
Das ist die eine Komponente seines Masterprojekts. Die andere ist Essen, das in Jakobers Alltag eine grosse Rolle spielt. Er und sein Geschäftspartner kochen jeden Tag im Studio, Jakober holt regelmässig kiloweise überschüssiges Brot in Bäckereien ab und verteilt es im Quartier. Als er schliesslich 2019 zwei Wochen bei einer Freundin in Schweden auf einem Permakulturhof mithilft, fragt er sich, ob man wirklich Selbstversorger werden muss, um sich konsequent nachhaltig zu ernähren.  Beim Selbstversuch in Zürich merkt Jakober schnell, dass er sich Produkte wie Schweizer Bioquinoa nicht leisten kann. Und er lernt: «Die Hälfte des Kaufpreises geht an den Detailhandel und in die Konfektionierung der Produkte, also das Verpacken in kleine Mengen.» Die Lösung dafür seien selbst organisierte Lebensmittelkooperativen, auch Foodcoops genannt, in denen mehrere Haushalte gemeinsam grössere Mengen direkt bei Produzent*innen einkaufen und unter sich verteilen. Doch in der Schweiz sind Foodkooperativen wenig verbreitet, weil sie nur im kleinen Rahmen funktionieren, ihr Aufbau aber aufwendig ist. Hier setzt das Projekt an, mit dem Jakober 2020 seinen Master startet: Er will mit einem Starterkit den Aufbau kleiner Nachbarschaftskooperativen erleichtern. In einem Handbuch soll das nötige Wissen dafür zusammengefasst werden, zudem entwickelt er eine Webplattform, auf der verschiedene Kooperativen ihre Informationen zu Produzent*innen teilen können.  

Der Scheiss im Supermarkt
Mit einer Pilotkooperative werden erst in seinem Wohnzimmer und dann in einem Gemeinschaftsraum im Quartier Haferflocken, Leinsamen, Hülsenfrüchte aus der Region und weitere Lagerlebensmittel in Beutel, Behälter und Flaschen abgefüllt. «Man füllt lediglich alle zwei Monate ab, statt ständig im Supermarkt Schlange zu stehen», erklärt Jakober und rechnet vor, dass hochwertige lokale Bioprodukte damit nur noch so viel kosten wie der «importierte Scheiss im Supermarkt».  Im Gespräch zeigt sich, dass der 37-Jährige nicht einfach engagierter Foodaktivist ist, sondern auch Unternehmer. Für die Entwicklung des Starterkits konnte er verschiedene Förderbeiträge einholen und damit ein Einkommen generieren, auf das er als junger Vater auch während des Studiums nicht verzichten konnte. Längerfristig möchte er als Designer Beratungen für selbst organisierte nachhaltige Organisationsformen anbieten. Und das Ziel des Starterkits? «Ein schweizweites Netzwerk mit 500 Foodkooperativen bis 2030», sagt Jakober. Nach seinen Schätzungen würde das gerade einmal ein Prozent Marktanteil im Lebensmittelhandel ausmachen. Trotzdem scheut er den grossen Vergleich nicht und sagt: «Ich trete in Gottlieb Duttweilers Fussstapfen – was er damals vor 100 Jahren mit Lastwagen gemacht hat, mache ich heute mit Internet und DIY-Kultur.»