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N°3/2023
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Eva Aebersold

Eva Aebersold studierte 2013 – 2018 erfolgreich im Bachelor- und Master-Studiengang des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung der HKB. Ihre berufliche Zukunft war vorgezeichnet gewesen. Aber es kam anders.

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Studiengangleiter im Fachbereich Konservierung und Restaurierung

Zunächst führte Eva Aebersold ihren Weg im Kunstbereich fort und sammelte Erfahrungen in verschiedenen kulturellen Institutionen: im Kunstmuseum Bern, im Zentrum Paul Klee und in der Universitätsbibliothek Basel. Ihre Expertise als Restauratorin wurde geschätzt und sie war an Projekten beteiligt, die dazu beitrugen, das kulturelle Erbe zu bewahren und der Nachwelt zu erhalten. Zudem absolvierte sie 2020 ergänzend ein Certificate of Advanced Studies zum Thema «Werk- und Nachlass-Management», welches durch die Weiterbildung der HKB angeboten wurde. Ihre Master-Thesis schloss sie mit dem Titel «Die Werkbücher von Maria Gertsch-Meer» ab. Dafür erhielt sie 2020 den Förderpreis des Vereins der Schweizer Papierhistoriker SPH, der diesen Preis für herausragende Arbeiten über die Bedeutung von Papier in Kunst, Kultur, Restaurierung und Technik verleiht. Die Arbeit ist nun in Auszügen in der Publikationsreihe der SPH 2023 erschienen.

Ursprüngliche Verpackung der Werkbücher und Probedrucke zu «Cima del Mar», «Diptychon Schwarzwasser» und «Aqua Serena», «Silvia».
© Eva Aebersold

Die Druckplatte, die Farbe und das Papier
In den vergangenen dreissig Jahren hat Maria Gertsch-Meer, die Ehefrau des 2022 verstorbenen Schweizer Künstlers Franz Gertsch, mit insgesamt 17 Werkbüchern, Probedrucken und weiteren Dokumenten einen vielfältigen Bestand über den Entstehungsprozess der grossformatigen Holzschnitte ihres Ehemannes aufgebaut. Der Druckprozess von Franz Gertsch wendet eine spezielle Technik an, um die Druckplatten zu bearbeiten. Mittels eines Diaprojektors projizierte Gertsch seine fotografischen Vorlagen. Die aus Lindenholzbrettern verleimten Platten können dabei Dimensionen von über 2 × 2 Meter erreichen. Der eigentliche Holzschnitt erfolgt mit Hohleisen, indem einzelne Kerben stückweise das Motiv ausarbeiten. Für den Druckprozess wird die Druckfarbe in mehreren hauchdünnen Schichten auf die Platte aufgewalzt. Dabei bleiben die Kerben farblos und im sogenannten Hochdruckverfahren werden nur die unbearbeiteten Partien auf das Papier übertragen. Für jeden Abzug wird eine eigene Kombination von Pigmenten eingesetzt, sodass jeder Druck einen eigenen Charakter aufweist. Die Übertragung erfolgt auf grossformatigen Japanpapieren mit der Bezeichnung Kumohadamashi aus der Werkstatt des Papiermachers Heizaburo Iwano. Mit aufgesetzten Glaslupen, die auf der Rückseite in kreisenden Bewegungen geführt werden, erfolgt die Übertragung der Farbe, die bei dieser Methode nicht haftet, sondern eingerieben wird.
Dem manuellen Druckprozess der grossformatigen Holzschnitte haftet ein gewisser «Eigensinn» an. Die Herstellung eines jeden einzelnen Abzugs wird von einer körperlichen und geistigen Intensität geprägt. So finden sich auch in den Werkbüchern diverse Angaben zur Zusammensetzung der Druckfarbe, zur Nummerierung der Abzüge aber auch Erinnerungen, Schwierigkeiten oder Erkenntnisse zu den einzelnen Druckprozessen. Auch das Druckteam selbst, das Befinden einzelner Personen oder das Wetter wurden in ihnen festgehalten. So sind die Bücher eine einzigartige und umfassende Quelle, quasi ein Fundus an Materialwissen, den es selbst zu erhalten gilt.

In ihrer Untersuchung diskutiert Eva Aebersold die notwendigen konservatorischen Massnahmen zu diesem Fundus. Dabei gelingt es ihr, in wechselseitiger Beleuchtung materieller und inhaltlicher Aspekte Einblick in den Schaffensprozess des Künstlers Franz Gertsch zu geben. Die Arbeit bietet eine ausführliche Dokumentation und Beschreibung der Werkbücher, wobei in Zusammenarbeit mit Maria Gertsch-Meer ein entsprechendes Konzept zur Aufbewahrung der Werkbücher sowie der Probedrucke erarbeitet und auch umgesetzt wurde.

Wechsel zur Restauration
Doch Eva Aebersold ist an einen Wendepunkt in ihrem Leben geraten. So arbeitet sie heute in der Küche eines Biohotels in Österreich. In der dortigen «Wilde-Weiber-Küche», die ausschliesslich biologisch und überwiegend nach Hildegard von Bingen kocht, lernt sie viel über die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Gastronomie und der Hotellerie.

Du arbeitest heute in der Restauration und nicht in der Restaurierung, warum?
Bereits während des Studiums hat mich der Mensch und seine Verbindung zu dem zu untersuchenden Kunstwerk stärker interessiert als nur die wissenschaftliche Untersuchung des Materials. Das Kochen und vor allem die haptische Wahrnehmung von frischen Lebensmitteln war schon damals meine allerliebste Beschäftigung – so habe ich Mut gefasst und mich im Biohotel Schwanen in Bizau (Vorarlberg, Österreich) als Quereinsteigerin beworben. Ich kannte das Dorf und die eindrückliche umliegende Natur bereits aus vergangenen Ferien.

Bist du dennoch stolz auf das, was du bisher erreicht hast?
Jede*r von uns, der/die das anspruchsvolle Studium der Konservierung und Restaurierung bewältigt hat, ist stolz, so vielseitig und vernetzt gelernt zu haben. Während meines Studiums hatte ich enormes Glück mit meinen Praktika und bei den Themen meiner beiden Abschlussarbeiten. Sowohl im Bachelor als auch im Master konnte ich zwei tolle Projekte bearbeiten.

Was denkst du, was du in vier Jahren machen wirst?
Zurzeit lebe ich hier in Bizau fernab vom städtischen Umfeld und ich vermute, dass ich auch in vier Jahren nicht mehr dorthin zurückkehren möchte. An eine Rückkehr zur Papierrestaurierung denke ich vorerst nicht, jedoch möchte ich es nicht ausschliessen.

Evas Karrierewechsel von der Konservierung und Restaurierung zur Kulinarik zeigt, dass es nie zu spät ist, sich neu zu definieren, erworbenes Wissen und Kompetenzen zu erweitern und sich damit gezielt zu fokussieren auf Bewährtes und Neues. Es ist zweifellos eine Herausforderung für Eva Aebersold, von der Welt der Kunst und Kultur zur Kochkunst zu wechseln. Dies erforderte Entschlossenheit, Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, sich neuen Fähigkeiten und Kenntnissen zu widmen. Als Studiengangleiter erinnert mich diese Geschichte aber auch daran, dass beruflicher Erfolg nicht von einem starren Karriereweg abhängt, sondern von der Bereitschaft, individuelle Wege zu unterstützen und den Mut zu haben, Leidenschaften zu folgen.