Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
N°4/2022
i

Eléonore Bernard

Die Erhaltung von Kunstwerken aus dem digitalen Zeitalter stellt eine besondere Herausforderung dar. Eléonore Bernard, Alumna des Masters Conservation-Restoration in der Vertiefung «Moderne Materialien und Medien», widmet sich diesen beziehungsreichen Prozessen am Kunsthaus Zürich und trägt damit zur Etablierung eines noch wenig beachteten Berufsbildes bei.

Die gesamte Medienkunstsammlung des Kunsthauses Zürich, etwa 650 Werke, befinden sich aktuell in der Obhut von Eléonore. Fünfzig dieser Werke werden im Rahmen eines einjährigen Projektes aufgearbeitet. Sie wurden zwischen 1995 und 2005 angekauft, abgespeichert auf digitalen Datenträgern verschiedener Natur. Es gilt, sie zu sichern. Eine grosse Aufgabe, wenn man bedenkt, dass schweizweit bisher lediglich vierzig feste Stellenprozente, verteilt auf nur zwei Institutionen, für die Medienerhaltung im musealen Bereich geschaffen wurden. Die Hälfte davon gehören ihr, den grössten Teil der Arbeit im Kunsthaus Zürich übernimmt Eléonore jedoch als Projektangestellte, wie beispielsweise im eben erwähnten, befristeten Projekt.

Foto: Tim Rod

Das «coole Projekt», wie sie sagt, ist eine interne Kollaboration der Restaurierungsabteilung mit der Grafischen Sammlung. So kümmert sich ein Kunsthistoriker um die inhaltliche Aufarbeitung der Werke, die Prüfung der Unterlagen und die Erfassung in der Datenbank. Gemeinsam werden Fragenkataloge für die urhebenden Künstler*innen entworfen, wenn Unklarheiten zur Präsentation der Werke bestehen, zur Produktionsgeschichte oder zu technischen Fragestellungen. Einerseits lerne sie so die Sammlung des Kunsthauses besser kennen, das eigentlich Spannende sei aber das technisch-praktische Arbeiten direkt an der Materie: «Ich arbeite wirklich an diesen Objekten, muss sie konservatorisch sichern und mich teilweise weiterbilden, wenn ich es mit komplexen Fällen zu tun habe, für die mir noch die Methodik fehlt. Ich kann dann mit externen Experten zusammenarbeiten, das ist wirklich toll.»Dabei hatte Eléonore, die vor ihrem Studium eine Ausbildung zur Buchmalerin gemacht hat, gar nicht unbedingt vor, diese Richtung einzuschlagen. Es habe sie ein bisschen ausgesucht, sagt sie, es hat sich so ergeben. Vor allem durch Agathe Jarczyk, die an der HKB Medienerhaltung «unglaublich begeisternd» vermittelte, liess sie sich auf das Thema ein. Durch sie sei sie neugierig geworden und habe ein wertschätzendes Interesse für Technologien entfalten können, das inzwischen sogar zu einem persönlichen Anliegen gereift ist. Mit einem Blick auf ihre Generation und das Kunst- und Kulturerbe der Jahrtausendwende ist es ihr wichtig geworden, dass Produktionen nicht komplett verschwinden, weil die Träger, auf denen sie sich befinden Kompatibilitätsprobleme haben oder nicht mehr verfügbar sind – wie z.B. Webseiten aus den späten Neunzigern.Auf die Frage, inwiefern sich die Erhaltung von Werken digitaler Natur von klassischer Restaurierungsarbeit unterscheidet, reagiert Eléonore wie folgt: Grundsätzlich sei es derselbe Ansatz, man habe es eben einfach mit anderen Objekten und Materialitäten zu tun. Das immer Verbindende sind die Grundprinzipien, welche die verschiedenen restauratorischen Fachrichtungen zusammenhalten. Da es sich immer um Eingriffe in die Originalsubstanz handelt, geht es um den Schutz von Integrität und Authentizität. Die Umsetzung muss ethischen Anforderungen entsprechen, die Dokumentation den Standards. Ein Unterschied bei Medienobjekten ist die Duplizierbarkeit und damit die Frage nach dem Original. Das macht es spannend und manchmal schwieriger, weil man unter Umständen nicht nur ein Objekt hat, sondern mehrere. Welches ist dann das Original, und was überhaupt ist Originalsubstanz? Wie streng ist in diesem Kontext die Definition von «Urzustand»? Was muss konserviert werden, um Medienkunstwerke für die Zukunft zu erhalten? Eléonore findet, dass dies weniger eine Frage der Materie sei, sondern vor allem eine Frage der künstlerischen Intention. Wurde das Kunstwerk eher skulptural erschaffen oder wiegt der interaktive Charakter vor?Dieser Kulturwechsel ist auch im Bewusstsein vieler Künstler*innen angekommen. Medieninstallationen werden immer öfter mit Angaben zur gewünschten Präsentation oder den Geräten, welche der Interaktionsfläche mit dem Publikum dienen, versehen. Sie sind offen für den Dialog, wenn es um weiterführende Fragen zur langfristigen Erhaltung ihrer Kunst geht. Ist die historische Form wichtig, auch für zukünftige Präsentationen, oder soll im Gegenteil das Werk in der Gegenwart weiterentwickelt werden? Der zeitnahe Dialog und Überlegungen zur Verfügbarkeit von Technologie sind, wie in vielen anderen Bereichen auch, wesentlich geworden. Und auch das macht für Eléonore den Reiz aus: die Arbeit mit der unbekannten Grösse, neue Konzepte wie «Media Archeology» und die Unvorhersehbarkeit der Entwicklung der historischen Relevanz des Ursprungskontextes.  

Eléonore Bernard hat ihr Studium an der HKB im Jahr 2020 mit der Masterthesis Bornes along the journey of L’Hourloupe – An Art technological study of Jean Dubuffet’s early transfers on resin on the basis of Borne au Logos IV (1966) abgeschlossen und ist neben ihrer Tätigkeit am Kunsthaus Zürich auch als freischaffende Restauratorin im Restaurierungskollektivs Atelier 40a in Bern.