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N°4/2023
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Art’Mini: experimentelle kulturelle Teilhabe für die Jüngsten

Als Künstlerin bewegt sich die Walliserin Jennifer Skolovski im Bereich der performativen Künste: Schauspiel, Musik, humorvolle Sketche, zeitgenössische Performance-Kunst und Akrobatik sind Ausdrucksformen, die sie auch in die Vermittlung von Kunst und Kultur einbringt.

Text

Studiert an der HKB Vermittlung in Kunst und Design

Im Jahr 2015 haben Jennifer Skolovski und ihre Künstlerkollegin Carina Pousaz den Verein Compagnie Digestif ins Leben gerufen. Der Hauptwirkungsort der Compagnie Digestif befindet sich im Wallis. Der Kanton hat in den vergangenen Jahren erheblich von der vielseitigen und multikulturellen Kulturproduktion Skolovskis profitiert. Seit 2018 gibt es das Angebot Art’Mini / KinderKulturTreff Mini, das sich speziell der frühkindlichen Entwicklung widmet. Das erste Mal in Kontakt mit frühkindlicher Kulturvermittlung kam Skolovski in Lausanne, als sie an der Zirkusschule Baby Zirkus unterrichten durfte. Von da an war diese Altersgruppe fester Bestandteil ihrer vermittlerischen Praxis.
Art’Mini / KinderKulturTreff Mini entstand aus einer Zusammenarbeit der Compagnie Digestif mit dem ZeughausKultur Brig und einer Kita in Brig. Seither wurde die Idee weiterentwickelt und vielseitig ausgeführt. Die Idee des Projekts basiert auf dem Prinzip der experimentellen kulturellen Teilhabe. Kinder werden in ihrer Erfahrungswelt, ihrem Vorstellungsvermögen und ihrem Forscherdrang gefördert, um sie zu eigenem, freiem Schaffen und Denken zu ermutigen. Erwachsene Begleitpersonen werden ebenso eingebunden wie die Kinder selbst und können individuell entscheiden, in welchem Ausmass sie partizipieren möchten. Der Bezug zum eigenen Kind und die Beziehung ausserhalb des Alltags wird deutlich. Für Jennifer Skolovski ist die Arbeit mit den Erwachsenen und das damit verbundene Coaching sowie der Austausch mit den Begleitpersonen genauso Teil der Arbeit wie die konkrete Arbeit mit den Kindern.

Raum für Geschichten oder Skulpturen
«Das Ziel ist, einen Raum zu schaffen, in dem sich Erwachsene gemeinsam mit ihren Kindern auf kreative Weise ausleben können». Das Resultat bleibt dabei offen. Es können unter anderem Skulpturen oder Geschichten entstehen, wobei der Prozess im Vordergrund bleibt. Jedes Format unterscheidet sich vom vorherigen. Die verschiedenen Vermittlungsprojekte werden in Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden diverser Sparten konzipiert und stets von Jennifer Skolovski begleitet.
Jennifer Skolovski betont die Professionalisierung der Kulturvermittlung, insbesondere bei den Jüngsten. Die Künstlerin hat selbst an der Pädagogischen Hochschule in Brig und Saint-Maurice studiert. Sie unterrichtete in Leukerbad und absolvierte zeitgleich ihre Ausbildung zur Theaterpädagogin an der damaligen Hochschule für Musik und Theater in Zürich. Zudem förderte sie ihre musikalische Leidenschaft am Konservatorium in Sitten. 2009 schloss sie sodann ihr Grundstudium an der Accademia Teatro Dimitri in Verscio ab und 2019 ihren Master. Gerade das vielseitige Wissen und die künstlerische Haltung, welche sie von ihrer Ausbildung mitnehmen konnte, helfen ihr in ihrer kulturvermittlerischen Praxis. Eine ausgebildete Fachperson in Kleinkindererziehung hat ganz andere Qualitäten als eine Kulturvermittler*in. Man erkennt bei den Begleitpersonen, von denen viele nicht in der Kunst- und Kulturbranche arbeiten, dass der Bezug zum spielerischen und improvisierten Schaffen verloren geht. Genau da setzen die Vermittlungsformate von Jennifer Skolovski und der Compagnie Digestif anSie trainieren diese freie Herangehensweise an Bewegung, sinnesbezogener Wahrnehmung und künstlerischer Tätigkeit. Art’Mini / KinderKulturTreff Mini nimmt das Erziehungsparadigma auf, gibt ihm Raum und setzt genau da an. In diesem sensiblen Feld arbeitet Jennifer Skolovski. «Ausschlaggebend ist, dass Personen, die sich auf diesem Gebiet engagieren, sich ihrer Verantwortung bewusst sind». Das Bewusstsein für die Wichtigkeit der frühkindlichen Kulturvermittlung nimmt seit der Entwicklung des Kulturprojekts Lapurla stetig zu. Insbesondere führt die Vernetzung der verschiedenen Vermittlungsprojekte zu grösserer Visibilität. Dennoch ist laut Jennifer Skolovski gerade auf Gemeindeebene das Verständnis für die Bedeutung der frühkindlichen Kulturvermittlung noch nicht etabliert.Die Förderung der kulturellen Entwicklung im frühkindlichen Alter ist nicht vorrangig, weil die Wirkung derartiger Projekte schwer fassbar ist. Dem entgegnet Jennifer Skolovski, dass im Verlauf von mehreren Durchführungen sehr wohl grosse Veränderungen zu beobachten sind. Gerade beim Format Art’Mini Outdoor, das in wöchentlichem Abstand zehn Mal durchgeführt wird, ist die Entwicklung von Beginn bis zum letzten Tag enorm, sowohl bei den Kindern als auch bei deren Begleitpersonen. Im Moment werden in der Kunst- und Kulturförderung ebenso wie in der Bildungspolitik Projekte bevorzugt unterstützt, welche eine klimathematische Aktualität haben. «Erziehung ist immer aktuell», so Jennifer Skolovski, und sie wünscht sich, dass sich gerade die noch von Männern dominierte Politik mehr mit Erziehung und kindlicher Entwicklung auseinandersetzt.

Koexistenz von Mensch und Tier
Die Nachfrage nach Kulturformaten wie Art’Mini ist im Oberwallis beachtlich hoch. Im Winter finden die Formate in Theaterräumen wie ZeughausKultur Brig, Théâtre Les Halles Siders, Théâtre le Spot Sion und im Musée de Bagnes sowie im naturnahen Treffpunkt Tschüdanga in Salgesch statt. Tschüdanga ist ein von Compagnie Digestif initiierter Hof mit Hunden, Pferden, Hühnern, Ziegen und Katzen. Die Tiere werden in einige der ArtMini-Outdoor-Sessions eingebunden. «Um ein Streichelzooerlebnis geht es dabei nicht». Vielmehr soll die Koexistenz von Mensch und Tier beispielhaft gelebt werden.
Für Jennifer Skolovski ist Art’Mini / KinderKulturTreff Mini ein Herzensprojekt. In der Vermittlungsarbeit ist der Einfluss auf die Gesellschaft konkret und spürbar. Für Skolovski fällt die Selbstinszenierung, die in der freien Kunst stark zu spüren ist, in der Vermittlung weg. Sie nimmt praktisch nie eine Figur ein oder eine andere Rolle als sie selbst. Denn wie die Künstlerin festgestellt hat, kann eine Rolle schnell zur Falle werden. Deshalb will sie in ihren Formaten offen bleiben für die Inputs der Kinder und der Begleitpersonen. «Wenn du mit allen zusammen improvisieren willst, mit Erwachsenen und Kindern, musst du von Tabula rasa ausgehen, sonst bist du so schnell eingeengt in deiner eigenen Welt», erklärt sie und betont, dass es für sie auf diese Weise einfacher ist, offen zu bleiben. Ihre Einfühlsamkeit versucht sie den Kunstschaffenden weiterzugeben, mit denen sie die Projekte in jeder Saison neu konzipiert.
In Zukunft sind weitere Formate geplant, auch wenn Tschüdanga ab 2029 nicht mehr dazugehören wird. Jennifer Skolovski sieht es als Fügung und Chance, anderen Konzepten nachzugehen. Das Ziel ist es, insbesondere mit den für die Theater entwickelten Formaten aus dem Wallis herauszukommen. Ein Beispiel dafür ist das partizipative Stück Superwurm, mit welchem sie im Oktober in Zentralafrika auftreten durfte. Solche einzigartigen Chancen möchte sie auch in Zukunft erleben und bleibt offen dafür, was künstlerisch und vermittlerisch auf sie zukommen wird.