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N°2/2025
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Das «Lauwiner Empire» und die Bürokratie

Jonas Lauwiner, als selbst ernannter König der Schweiz, Dauergast in den Medien geworden, residiert in Burgdorf. Die HKB-Zeitung hat Lauwiner besucht und mit ihm über Grundeigentum, Mieter*innen-Rechte und Bürokratie gesprochen. 

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Seit mehreren Jahren eignet sich Jonas Lauwiner Land in der Schweiz an. Systematisch durchforstet er – oder Angestellte im Stundenlohn – öffentlich einsehbare Grundbücher und sucht nach herrenlosen Grundstücken. Sind diese gefunden, fehlt nur noch die entsprechende Aneignungserklärung, wenige hundert Franken und Lauwiner hat sein Empire, wie er es nennt, vergrössert. Unterdessen besitzt er über 114 000 Quadratmeter Land – darunter 82 Strassen – in neun Kantonen. Eine solche Strasse hat der selbst ernannte König der Schweiz vor Kurzem für CHF 25 000.– verkauft, davon gehen laut Lauwiner CHF 15 000.– an die Gemeinde. «Fairness ist hier gleich null», kommentiert er die Gemeindeabgaben.  Die ehemalige Farbenfabrik und das heutige Schloss von Jonas Lauwiner erreicht man über eine schmale Privatstrasse. Der König der Schweiz erwartet uns vor seinem Schloss in zivil. Keine Robe, keine Krone, kein Säbel. Dafür ein blaues T-Shirt, eine schwarze Hose und beige Sommerschuhe. Das alte Fabrikgebäude ist das Prunkstück unter Lauwiners Grundstücken. Hier wohnt er seit Kurzem im ausgebauten oberen Stock. Das Gebäude liegt eindrücklich zwischen einer Felswand und der Emme, links neben dem Eingang weht die Flagge des «Lauwiner Empire».  Im Büro setzen wir uns an einen grossen Holztisch, auf dem verschiedene Landkarten der Schweiz liegen, mehrere Stempel stehen organisiert auf dem Tisch. Im Schrank hinter dem Tisch sind säuberlich diverse Artilleriegeschosse aufgereiht. Müsste das Büro blind einer Person zugeordnet werden, würde kaum jemand auf den jungen Mann mit Dreitagebart tippen, der sich mit einem Powerade an den Tisch setzt.  

«Wir sind überbürokratisiert»
«Das alles habe ich umsonst im Internet gefunden», sagt Lauwiner und zeigt auf eine lange Wohnwand aus dunklem Holz. Auch sonst gebe er unnötig kein Geld aus und lebe auf kleinem Fuss. Auf seine weiteren Pläne mit dem Fabrikgebäude angesprochen, kommt Lauwiners Unzufriedenheit mit der Schweizer Bürokratie zum ersten Mal in unserem Gespräch zum Ausdruck: «Seit drei Jahren bin ich hier an einem Baugesuch dran, um Wohnraum zu schaffen. Dabei habe ich CHF 50 000.– ausgegeben. Wie soll ich das anschliessend günstig vermieten, wenn ich so viel ausgeben muss, nur für eine Bewilligung für eine Küche und ein Bad? Wir sind überbürokratisiert.»  Geht es um Politik, wird schnell klar: Jonas Lauwiner nimmt kein Blatt vor den Mund. Wenn es um seine Grundstücke – angeeignet oder erworben – geht, sprudelt es regelrecht aus dem 30-Jährigen heraus. Dabei springt er oft von einem Punkt zum nächsten. «Die Leute sagen immer: Es ist alles so teuer; es gibt keine Wohnungen mehr – aber keiner begreift den Zusammenhang. Es beginnt bei der Politik, bei der Raumplanung.» Um hier etwas zu ändern, sitzt Lauwiner als «König im Dienst für die Burgdorfer» seit letztem Herbst im Stadtrat von Burgdorf. Ob er dabei als Einmannpartei Erfolg hat, wird sich zeigen. Mehrmals in unserem Gespräch erzählt Lauwiner von seiner Kindheit. Aufgewachsen in einer Einzimmerwohnung mit seiner Mutter; mit 18 zieht er von zu Hause aus, weil er unabhängig und selbstständig sein will; in der Lehre geht er mit seinem Lohn von CHF 500.– auf Schnäppchenjagd im Brocki, um diese anschliessend teurer zu verkaufen; später muss er wegen einer Grundsanierung aus seiner günstigen Mansardenwohnung im Berner Quartier Monbijou ausziehen. 

Eigentum und Verzicht
«Als Mieter muss man damit rechnen, dass man aus einer Wohnung fliegt. Man ist nur Mieter, es ist nicht dein Haus. Du bist geduldet, solange du Miete bezahlst. Sicherheit ist Eigentum», sagt Lauwiner zum Vorfall. Zudem ist er davon überzeugt, dass jede*r in der Schweiz sich Eigentum leisten kann, wenn auf genügend verzichtet wird. «Natürlich habe ich weitergeforscht und hatte Glück mit meinen Grundstücken, aber ich habe so angefangen – mit Verzichten.» Glück ist hier das Stichwort. Denn es ist Fakt, dass sich in den letzten zehn Jahren immer weniger Menschen Wohneigentum in der Schweiz leisten können. Hauspreise, das benötigte Eigenkapital und das verlangte Jahreseinkommen für den Kauf von Wohneigentum sind allesamt drastisch gestiegen. Das alles im gleichen Zeitraum, indem die Löhne in der Schweiz um nur 5 % erhöht wurden, das zeigt eine 2021 veröffentlichte Studie von Raiffeisen. Zurück zum König: Lauwiner hat sich zusätzlich zu seinen angeeigneten Grundstücken Mieteigentum gekauft. Seine Mieter*innen haben grösste Priorität, wie er versichert. Darum gebe es trotz zahlreichen Bewerber*innen auch noch keine Bürger*innen des «Lauwiner Empire». «Ich habe schlicht keine Zeit», so Lauwiner. Mieter*innen tragen dazu bei, dass Geld reinkäme, welches anschliessend wieder investiert wird – im Gegensatz zu Bürger*innen. Denn eine Steuer kann der König in der Schweiz nicht erheben und er wolle auch «nicht dreihundert Menschen auf seinem Vorplatz». Ich merke schnell, Lauwiner ist in erster Linie Geschäftsmann – ein Geschäftsmann, der im Königsgewand auftritt und der sich durch die Schweizer Bürokratie im Bauwesen massiv eingeschränkt fühlt.  

Zu viele Menschen
«Es gibt so viele Regeln, wenn es um das eigene Grundstück geht», sagt Lauwiner. Auf seinen angeeigneten Grundstücken ist Bauen fast unmöglich. Meist sind es Landwirtschaftszonen, Wälder, es stehen Ställe darauf oder sie sind schlicht zu klein. Mit mehreren Projekten für verschiedene Tiny Houses ist er bei den Behörden abgeblitzt – das ärgert ihn: «Eigentlich sollte jeder sein Eigentum haben. Das ist heute aber nicht mehr möglich, da wir einfach zu viele Menschen sind und Bauen so kompliziert wurde. Es geht nicht mehr auf.» Auf die Figur König der Schweiz angesprochen, versichert Lauwiner, dass es keine Figur sei: «Ich bin symbolisch der König der Schweiz und wenn jemand fragt, gibt es einen König der Schweiz? Dann bin ich das – fertig.» Nach ein bisschen mehr als einer Stunde verlassen wir das kühle Büro, auf dem Gang zeigt Lauwiner uns ein Fenster, das nicht mehr richtig schliesst. Er wollte die Fenster im oberen Stock erneuern, doch auch hier machte ihm der Kanton einen Strich durch die Rechnung. Grund: Das Gebäude im Lochbach steht unter Denkmalschutz. Lauwiner ist nicht der Erste und wird auch nicht der Letzte sein, dem die Bürokratie Nerven raubt. Ob sie aber wirklich allein für die Wohnknappheit in der Schweiz verantwortlich ist, bleibt eine andere Frage.