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N°1/2022
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Die Küche ist tot!

Die Küche als Ort der Gemeinschaft und Zusammenkunft – glauben wir denn ernsthaft, dass wir die Küche aufrechterhalten können? Ist es nicht etwas folkloristisch, dass Kochen und Essen in der westlichen Welt noch immer solch hohen gesellschaftlichen Stellenwert besitzt? Man muss gar nicht allzu weit in die Zukunft schauen 厨房已死.

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(*1989), Ereignisdesignerin @futurefoodlab, steht auf alles, was mit Blut und Fleisch zu tun hat. Nebst dem konzipiert und gestaltet sie zukunftsweisende Szenarien und Erlebniswelten.

But first things first: Wir alle müssen essen. Und tun dies – gerade hier – auf unglaublich ineffiziente Weise. Mir erscheint das barbarisch. So essen wir leere Kalorien à gogo und finden das auch noch kultiviert. Unser Körper braucht Nahrung, aber nicht in Form von Essen. Er braucht die Chemikalien und Elemente daraus. Warum also kochen wir eigentlich noch? Der Status quo sagt: «Naja, weil’s schmeckt (veganer Speck?! FML) und Essen ist ja auch Kulturgut, ein sozialer Akt.» 2022: Essen muss, kann und wird nicht mehr als Schnittpunkt zwischen Natur und Kultur herhalten können. Leisten können wir uns das eigentlich bereits heute nicht mehr. Also hört auf, das noch in irgendeiner künstlerischen Praxis weiterzuspinnen zu wollen!Wenn wir neu definieren, was Essen eigentlich ist, sprich, was es in Zukunft sein soll und was wir damit erreichen wollen, dann wird Essen zur reinen Energiezufuhr. Und dann wird es schlicht keine Küchen mehr brauchen. Müsste die Kunst nicht hier ansetzen? Und wäre es nicht auch Chance, die entstehenden Lücken als Erste zu bespielen? Auch wenn Kunst keine Aufträge entgegennimmt, sie soll sich’s mal überlegen. Konzeptkunst und so, hey, auf Eliasson stehen doch alle. Aber ernsthaft, der Tod von Küche und Essen eröffnet neue Möglichkeitsräume. Wir brauchen neue Formate, Kontexte, Verbindungen und Rituale der Zusammenkunft. Und wir brauchen sie jetzt. Bitte?Ein Horrorszenario? Undenkbar? Bullshit? Leider fallen uns im gegenwärtigen Paradigma eben auch nur Lösungen ein, die diesem entspringen. Wenn man sich aber – wenigstens mal gedanklich – auf einen Shift einlässt und das Post-Essen-Szenario weiterspinnt, beginnt ein ziemlich spassiger Film.Schon nur der Platz, der entsteht, wenn in jeder Wohnung die Küche wegfällt. Die Ressourcen, die eingespart werden – weder ein Kühlschrank noch ein Herd, keine Dunsthauben, Ofen, Spülmaschinen, Toaster, Kaffeemaschinen, Mixer, Kombisteamer. Man denke an all die Ikea-Servietten, die man einspart! All der Raum, der plötzlich da ist. Keine Restaurants, Kantinen, Schnellimbisse, Döner-Läden, Take-aways – keine leidigen Diskussionen über Pappbecher oder Strohhalme, «heaven is a place on earth».Hey, und wie viel geile Foodkunst hätte Beuys noch schaffen können, wenn nicht ein Zehntel seiner Lebenserwartung fürs Essen draufgegangen wäre? Durchschnittlich treffen wir pro Tag zweihundert Entscheidungen, die unser Essen betreffen. Soll man dem Besuch nun vegane Ravioli oder doch den Schenkel des selbst erlegten Rehs auftischen? Die Marktbesuche am Samstag, aufwendige Reservationsvorgänge für hippe und überteuerte Trendlokale aus den Netflix-Dokus in europäischen Metropolen, Screentime auf Insta beim Durchstöbern der tausend Foodblogs und der Pages der Lifestyle-Coaches mit ihren ganzheitlichen Ernährungs- und Kochtipps und so weiter und so fort. Endlich kann auch ich mal das Wort «eurozentristisch» verwenden. Item. Im Schnitt verbringen wir fünf Jahre unseres Lebens mit Essen. Zusätzliche drei Jahre mit Kochen – das Putzen und Aufräumen von Geschirr und Küche ist dabei nicht mal eingerechnet. Gar nicht mal so geil. Voilà. Ich sitze übrigens grad zu Hause. Die Schmocker-Küche haben wir im Januar eingeweiht, der Quooker dabei mein persönliches Highlight. Bin am Vorbereiten für den morgigen Viergänger, Angelo und Ändu kommen. Heute Abend aber gibt’s frische, selbst gefangene Eglifilet aus dem Bielersee, die wir kurz in Butter anbraten und mit Mandelsplitter und den Gschwellti vom Vortag servieren werden. Vielleicht machen wir sogar eine Flasche Sancerre auf.
Yolo.