Konkurrenz auf unerwarteten Ebenen
Konkurrenz im marktwirtschaftlichen Verständnis ist für ein Start-up etwas Positives: Wettbewerb bedeutet, dass die eigene Idee auf eine existierende Nachfrage trifft. Doch was ist mit den tieferen und verborgenen Ebenen der Konkurrenz im Leben eines Cultural Entrepreneur an der HKB?
Chris Jenny leitet das HKB-Business-Lab, kennt die Start-up-Welt aus eigener Erfahrung und hilft Studierenden und Forschenden dabei, ihre eigenen Ideen zu konkurrenzlos erfolgreichen Projekten umzusetzen.
Wer schon einmal ein eigenes Start-up gegründet hat, der weiss aus Erfahrung, dass dieses Erlebnis als eine der intensivsten Phasen im Leben in Erinnerung bleibt. Intensiv sind die positiven, euphorischen Momente, beispielsweise wenn das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung zum ersten Mal eine*n Kund*in begeistert. Intensiv ebenso, wenn sich nach der fünften Nachtschicht dunkle Augenringe bilden und die nächste dringend benötigte Finanzierungsrunde immer noch nicht in trockenen Tüchern ist – und die Konkurrenz beim Investorenpitch erfolgreicher war. Alle Unternehmer*innen sehen sich früher oder später mit der Endlichkeit der verfügbaren Ressourcen Zeit und Geld konfrontiert. Knappe Ressourcen führen immer zu einem Verteilungskampf zwischen den verschiedenen Interessensgruppen, und viele dieser Auseinandersetzungen werden Gründer*innen erst später oder rückblickend bewusst.
Teamarbeit
Erfolgreiche Unternehmer*innen erkennen bestehende Probleme und entwickeln Lösungen dafür, welche in irgendeiner Form besser sind als diejenigen der Konkurrenz. In einer ersten Entwicklungsphase konkurrieren zahlreiche Konzepte und Ideen um den Fokus der Unternehmer*innen. Ist die erste Ideenphase erfolgreich, so folgt oftmals die Feststellung, dass die eigenen Kompetenzen ergänzt werden müssen: Nun sind die Antagonisten der eigene Stolz, alles allein machen zu wollen, und die Einsicht, die eigene Idee und die damit verbundene Arbeit zu teilen. Hat sich nun ein Team mit einem optimalerweise diversen Skillset gefunden, so konkurrieren nun nicht mehr nur die eigenen Ideen, sondern auch die Meinungen und Vorschläge des ganzen Teams um deren Umsetzung. Die Realisierung dieser aus dem Konkurrenzkampf erfolgreich hervorgehenden Idee benötigt dann wiederum finanzielle Mittel, um die sich das Team nun koordiniert gegen die Nebenbuhlerschaft in einem eigentlichen Wettkampf durchsetzen muss – und dies nicht nur einmal, sondern wiederholend. Ist die Finanzierung endlich gesichert, so drängt sich die Entscheidung der Selektion der sich rivalisierenden potenziellen Produzenten des eigenen Produktes auf. Unternehmertum ist nicht nur, aber immer auch die Geschichte des Sichdurchsetzens gegen Konkurrenz.Unternehmer*innen erleben Konkurrenz aber auch auf Ebenen, welche Aussenstehenden oftmals verborgen bleiben. Wir alle haben 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Diese verfügbare Zeit trifft auf Aufgaben und Verpflichtungen, welche um Priorisierung und Aufmerksamkeit konkurrieren. Als Unternehmer*in liegt der Fokus stark auf der eigenen Idee und deren Umsetzung, und das bringt naturgemäss mit sich, dass die Aufmerksamkeit in der verfügbaren Zeit auf das eigene Projekt fokussiert ist. Damit tritt das Start-up-Projekt in Konkurrenz mit Partner*innen, Familie, Freund*Innen und dem sozialen Umfeld – sie alle verdienen Aufmerksamkeit, und die subjektive Wahrnehmung der gerechten Verteilung dieser gleicht oftmals einem Balanceakt. Dabei lohnt es sich unbedingt, die eigene Meinung durch unvoreingenommene Dritte herauszufordern und diese mit den eigenen Ansichten in Konkurrenz treten zu lassen: Es sind nicht selten externe Inputs, die Gründer*innen auf neue Pfade und damit zu alternativen Lösungen bringen. Ironischerweise führt dies dann wiederum dazu, dass das eigene Projekt den Konkurrenzkampf um die eigentlich zu teilende Aufmerksamkeit mit dem sozialen Umfeld erneut gewonnen hat.
Aufmerksamkeitsdilemma
Dem Autor sind keine erfolgreichen Unternehmer*innen bekannt, die sich nicht früher oder später mit diesem Aufmerksamkeitsdilemma auseinandersetzen mussten. Erfolgreiches Unternehmertum und damit das Bestehen gegen die Konkurrenz fordert sehr viel Aufmerksamkeit und einen klar definierten Fokus ein. Eine ausgeglichene Balance zwischen der eigenen Berufung und der alternativen Nutzung der Ressource Zeit mit den nicht weniger wichtigen anderen Freuden des Lebens ist anfangs nicht einfach, doch früher oder später lehrt es alle Unternehmer*innen, mit dieser Polarisierung umzugehen. Unternehmertum ist die beste Lebensschule, und diese lernt nebst vielem anderen auch die Notwendigkeit der Priorisierung und des regelmässigen Austretens als bewusste Distanzierung zum oftmals unbewusst laufenden Konkurrenzkampf um Zeit und Aufmerksamkeit.