Wo-Wo-Wohnige?
Als ich jung war, etwa so alt wie die heutzutage Studierenden, gingen wir öfters demonstrieren. Autonomer Kulturraum und bezahlbarer Wohnraum waren die Themen, die uns auf die Strasse trieben. «Wo-Wo-Wohnige?», skandierten wir in den Gassen der Berner Altstadt. «Wohnungsnot» war der Slogan, hinter dem wir uns alle finden konnten: viele Bildungsbürgersöhne und -töchter wie ich, aber auch junge Secon das und Secondos, Outsiders, überhaupt junge Menschen, die gewillt waren, lautstark und provozierend kulturelle, soziale und politische Fragen zu stellen. Wir waren in Bewegung und gewillt, auch Eigentum infrage zu stellen, nämlich indem wir Häuser und Gelände besetzten. 40 Jahre später: The same but different. Ich sehe mich herausgefordert, aber auch motiviert, meine privilegierte Wohnsituation zu hinterfragen – der Anstoss bietet die HKB-Zeitung. Die zweite Ausgabe dieses Jahres thematisiert Wohnen: Privilegien und Aktivismus, Politik und Perspektiven. Das Thema bleibt relevant und wird immer dringlicher. Sie kennen die Stichworte: Der Wohnungsmarkt steht unter Druck. Wohnen wird immer teurer. Studierende sind mit ihrem knappen Budget von der Wohnungsnot besonders stark betroffen. In Stadtzentren leben nur noch Gutverdienende, derweil ältere Wohnsilos am Stadtrand zu sozialen Brennpunkten werden. Das soziale Gefälle nimmt ebenso zu wie die gesellschaftlichen Spannungen. Reichtum und Privilegien werden infrage gestellt. Wohnen ist zu einem politischen Handlungsfeld geworden. Mit der Recherche für den Schwerpunkt dieser HKB-Zeitung bin ich auf Theodor Adornos berühmten Essay Asyl für Obdachlose (1951) gestossen. Der Text mit dem noch berühmteren Satz «Es gibt kein richtiges Leben im Falschen» birgt auch heute noch Irritationspotenzial. Als ungleich entspanntere und relevantere Position empfehle ich das Buch Wohnen von Filmemacherin und Autorin Doris Dörrie (2024).Oder entnehmen Sie in der vorliegenden HKB-Zeitung viel Aktuelles und Spannendes den Aussagen, Recherchen und Statements von Studierenden der Berner Fachhochschule, Departement HKB.
Christian Pauli, Leiter Redaktion HKB-Zeitung